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Aethermagie

Titel: Aethermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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versuchte, sich seine Ungeduld nicht anmerken zu lassen.
    »Baldo Moroni, genannt der ›Knochenbrecher‹, mehrfacher Raubmörder«, erklärte Dr. Stadler. Seine Kollegen nickten. »Er wurde eingewiesen, weil die Strafanstalt keine Möglichkeit sieht, ihn ohne Gefahr für andere zu verwahren. Er gilt als gemeingefährlich. Professor Charcot empfiehlt eine radikale Therapie.«
    Der Vollbärtige machte sich Notizen, dann unterbrach er seinen Kollegen mit einer fragenden Handbewegung. »Er ist ansprechbar?«
    »Ich bin ansprechbar«, warf Jewgenij ein. Der Arzt sah ihn erstaunt an. Seht her, das Monstrum kann sprechen, dachte Jewgenij.
    »Sie wurden nicht um Ihre Meinung gefragt«, sagte der Vollbärtige. »Antworten Sie bitte nur auf direkte Fragen.«
    »Halt lieber die Fresse«, hörte Jewgenij den Stiernackigen murmeln, der neben ihm stand. »Rados ist ein scharfer Hund.«
    Der Vollbärtige, dessen Augenmerk sich wieder auf Dr. Stadler gerichtet hatte, drehte den Kopf herum und sah Ivo eisig an. »Anscheinend haben wir gerade eine öffentliche Fragestunde. Was haben Sie also dazu zu bemerken, Branković?«
    Der stiernackige Ivo zog den Kopf ein und vollführte beschwichtigende Gesten. »Nichts, nichts, Doktor Rados. Ich habe mich nur geräuspert.«
    »Ich verordne Ihnen dann wohl besser eine Kaliumpermanganat-Spülung«, erwiderte der Arzt mit einem Funkeln in den Augen, das Jewgenij kalte Schauder über den Rücken jagte. Wer war hier verrückt?
    Ivo ächzte. »Danke, ich glaube, es ist nicht nötig«, brachte er heraus. Einen Moment lang ruhte der Blick des Arztes noch auf ihm, wanderte dann zu Jewgenij und senkte sich wieder auf seine Notizen. »Herr Kollega?«
    Stadler, der mit über dem Bauch verschränkten Händen und gesenktem Kopf dagesessen hatte, als würde er die Gelegenheit zu einem Nickerchen nutzen, blickte auf und sprach weiter, als wäre er niemals unterbrochen worden: »Dann haben wir hier den uns bereits bekannten Ivo Branković. Ich muss mit großem Bedauern konstatieren, dass er seine Tauglichkeit für ein Leben außerhalb dieser geschützten Mauern nicht hat unter Beweis stellen können.«
    »Wie es zu erwarten war«, sagte der andere Arzt. »Damit dürfte sein weiterer Behandlungsplan feststehen, ich werde aber Professor Charcot deswegen noch befragen. Soweit ich informiert bin, sind demnächst einige transorbitale Lobotomien vorgesehen, er könnte also gleich …«
    Der Stiernackige sprang auf und hob in erschreckter Abwehr die Hände. »Nicht die Brille, um der Gnade aller Heiligen willen! Geben Sie mir Zappelbehandlungen wie beim letzten Mal, Dr. Rados. Die haben geholfen, wirklich!«
    Die Ärzte sahen ihn mit beinahe identischem Gesichtsausdruck an. »Geholfen«, sagte dann Rados. »Den Erfolg der Behandlung sehen wir ja jetzt und hier vor uns, Branković.« Er schüttelte den Kopf und schenkte seine Aufmerksamkeit wieder seinen Notizen.
    Ivo Branković wandte sich mit flehender Gebärde an den anderen Arzt. »Ich mach alles, was Sie von mir verlangen«, drängte er. »Nur nicht die Brille, so haben Sie doch Erbarmen!«
    Ein Funke Mitleid schimmerte in Stadlers Blick. »Nun regen Sie sich doch nicht so auf, Mann«, sagte er. »Das ist ein ungefährlicher Eingriff, Sie werden sich nachher viel besser fühlen.« Er kratzte sich an der Nase. »Wir könnten natürlich Professor Charcot bitten, ihn zunächst auf Station D zu verlegen«, wandte er sich an seine Kollegen.
    »Voll belegt«, erwiderte der Vollbärtige ohne aufzusehen.
    »Aber nur noch heute«, gab Stadler zu bedenken. »Morgen werden 405 und 411 operiert.«
    Rados blickte auf und krauste nachdenklich die Stirn. »Richtig. Gut, wir könnten Professor Charcot den Vorschlag unterbreiten.« Er sah Branković an.
    Jewgenij spürte, wie dieser die Luft anhielt. »Abteilung D«, sagte Branković erstickt. »Nein, ich … ich …« Er schüttelte heftig, sprachlos den Kopf und schloss voller Resignation die Augen.
    »Ja, was denn nun?!«, rief der bärtige Arzt ungeduldig aus. Er rieb sich mit einer matt wirkenden Geste über die Augen. Jewgenij erkannte jetzt erst, dass der unwirsche Arzt vor Erschöpfung beinahe umzufallen schien.
    Doktor Stadler zuckte die Achseln. »Wir sollten die Entscheidung dem Professor überlassen«, schlug er vor. »Dr. Rados, Sie sind seine rechte Hand. Was meinen Sie?«
    Die Ärzte steckten die Köpfe zusammen und besprachen in gedämpftem Ton und gespickt mit lateinischen und griechischen Fachausdrücken ihr

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