Aethermagie
dieses Werkes stehe.«
Kato blätterte erneut zum Frontispiz des Buches und betrachtete den Kupferstich, der seiner Unterschrift zufolge, den »Verfasser und gelahrten Wissenschaftler Horatius Konradin Tiez, Professor publicus Extraordinarius physicae« darstellte.
Das Bildnis glich bis hin zur Nasenspitze und dem etwas schief sitzenden Zwicker dem Antiquar, der mit geradezu schuldbewusst zu nennender Miene vor ihr im Sessel saß.
»Herr Tiez«, sagte Kato und schüttelte den Kopf. »Wenn ich nicht wüsste, dass es ganz und gar nicht sein kann, dass Sie im Jahre …«, sie blickte auf den Kupferstich des Verfassers und übersetzte murmelnd die in römischen Ziffern vermerkte Jahreszahl: »im Jahre des Herrn 1687 …«
»1688«, korrigierte Horatius Tiez mit einem Seufzer.
Kato verstummte und sah ihn an. Er wich ihrem Blick aus und schenkte heiße Schokolade in zwei große Tassen. Ein wenig von der dunkelbraunen Flüssigkeit spritzte auf den Tisch, und er wischte die Tropfen achtlos mit seinem Ärmel auf, bevor er ihr eine der beiden Tassen reichte.
»Es ist zwar unmöglich, aber Sie sind der Verfasser«, schloss Kato aus seiner Miene und dem ausweichenden Gestus. »Ich verstehe nicht, wie das sein kann, aber in den letzten Tagen verstehe ich eine ganze Menge nicht mehr.« Sie trank, leckte sich über die Lippen und seufzte.
Die Tür sprang so heftig auf, dass ihre Klinke gegen die Wand schlug und die Stellage mit den Porzellanfigürchen einen klirrenden Satz machte. »Meister Tiez«, rief der junge Mann im Eintreten und wischte sich die Hände an einem ölverschmierten Lappen sauber, »ich brauche Ihre Hilfe. Oh. Entschuldigung. Ich wusste nicht, dass Sie Besuch haben.« Er musterte Kato neugierig.
Sie sah ihn verblüfft an. Er trug die gleiche Kleidung wie vorhin: ein helles Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln, eine offene Weste, dunkle Hosen, eine umgebundene lederne Schürze und diese seltsame Lupenbrille auf der Stirn. Aber im Gegensatz zu vorher hatte er nun dunkelrotes, ein wenig lockiges Haar, tiefblaue, beinahe schwarze Augen und ein paar Sommersprossen auf der schmalen Nase. Und er lächelte sie an. Wischte seine Finger akkurat sauber und reichte ihr die Hand. »Ich bin Milan«, sagte er.
»Kato«, erwiderte sie verblüfft.
»Sehr erfreut, Fräulein Kato«, sagte er. Sein Lächeln wurde ein wenig breiter und entblößte weiße, ebenmäßige Zähne. »Du siehst mich so erschreckt an. Darf ich daraus schließen, dass du dem Schwarzen begegnet bist?«
Kato warf einen Hilfe suchenden Blick zu Meister Tiez. Der Antiquar stellte behutsam seine Tasse ab und seufzte. »Der Rote Milan«, sagte er mit einer Handbewegung auf den jungen Mann. »In der Werkstatt hast du den Schwarzen Milan getroffen.«
Kato schwirrte der Kopf. »Was bedeutet das?« Ob das mit den vielen Türen zu tun hatte und den verschwindenden und wieder auftauchenden Räumen? Gab es verschiedene Versionen dieses jungen Mannes, eine freundliche, eine unfreundliche, eine rote, eine schwarze, womöglich noch eine blonde …
Milan blinzelte ihr zu. »Du schaust so schrecklich verwirrt drein«, sagte er. »Es ist aber nicht so kompliziert. Ich bin Milan Milvus, der Ältere. Der knurrige Milan Milvus dort drüben in der Werkstatt ist mein Bruder.«
»Zwillingsbrüder«, sagte Kato aufatmend. »Ihr tragt wirklich beide den gleichen Namen?«
Der Rote Milan zuckte gleichmütig die Achseln. »Meine Eltern waren der Meinung, dass Brüder, die sich so ähnlich sehen – und als Wickelkinder hat uns keiner auseinanderhalten können – gleich auch denselben Namen haben sollten.«
»Dann ist es ja gut, dass ihr wenigstens jeder eine andere Haarfarbe habt.«
»Ja, das ist praktisch. Sonst wüsste ich am Ende morgens nicht, ob ich es bin, dessen Gesicht ich wasche.« Seine Augen wurden schmal, wenn er lächelte, und kleine Fältchen kräuselten die Winkel. Kato ertappte sich dabei, dass sie ihn anlächelte.
»Was wolltest du von mir, Roter?« Horatius Tiez fuhr mit einer für diesen sanftmütigen Mann ungewöhnlichen Schärfe dazwischen. Es schien ihm nicht zu gefallen, dass Kato und der Rote Milan so vertraulich miteinander sprachen.
Der junge Mann wurde ernst und beugte sich vor, um dem Antiquar ein seltsam geformtes Zahnrad zu zeigen. »Ich habe dies hier endlich gefunden«, sagte er, »aber es will sich nicht einpassen lassen.«
Meister Tiez griff wortlos nach einer Lupe und nahm das Zahnrad von Milans Handfläche. Auf das Zahnrad starrend ging
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