Aethermagie
schlüpfte sie in ihr Bett und zog die Decke über den Kopf.
Im hellen Sonnenlicht am nächsten Morgen sah alles schon viel weniger bedrohlich aus. Katos Gedanken waren bei dem bevorstehenden Maskenball und dem wundervollen Kostüm, das sie dort tragen würde. Lächelnd lief sie die Treppe hinunter und stieß beinahe mit Adelaïde zusammen, die mit Briefen in der Hand aus dem kleinen Salon kam.
»Kato, Kind«, tadelte sie, »wie oft habe ich dir gesagt, dass eine junge Dame nicht in solch unziemlicher Hast die Treppe hinunterläuft?« Sie bückte sich nach einem Brief, der ihr aus der Hand gefallen war.
»Frau Mama«, sagte Kato atemlos, »ich bitte um Pardon. Aber mir ist gerade eingefallen, dass ich doch noch Stiefel brauche!«
Die Freifrau sah Kato stirnrunzelnd an. »Stiefel? Du hast festes Schuhwerk, weil ihr sicherlich auch Spaziergänge unternehmen werdet. Deine Schnürstiefelchen sind neu …«
»Nein, nein«, fiel Kato ihr ins Wort. Sie folgte der Stiefmutter ins Frühstückszimmer. »Nicht für mich! Für das Kostüm. Der Maskenball, Frau Mama!«
»Der Maskenball.« Adelaïde schüttelte den Kopf. »Katharina, ich habe im Moment wirklich andere Sorgen. Gleich kommt Dr. Rados, um nach deinem Vater zu sehen. Er hatte in der Nacht wieder einen seiner Anfälle.«
Kato senkte den Kopf. Sie war schuld daran. Sie hatte ihren Vater zu sehr aufgeregt, und dann geriet er in diese seltsamen Zustände, die ihre Stiefmutter so aus der Fassung brachten. »Es tut mir leid«, flüsterte sie.
Ada legte flüchtig die Hand auf ihren Scheitel. »Sorge dich nicht«, sagte sie. »Dr. Rados hat ihm bisher immer helfen können.« Sie gab Kato einen kleinen Stups vors Kinn. »Weißt du was? Du schaust so trübsinnig drein und warst doch gerade eben noch so fröhlich. Ich schicke dich mit Bernstein in die Stadt, du fährst zum Schuhmacher und lässt dir ein Paar Stiefel anmessen. Würde dich das aufmuntern?«
Kato hielt den Atem an. »Ja, danke«, brachte sie heraus. »Darf ich dann … dürfte ich auch noch einmal bei Meister Tiez vorbeischauen? Ich habe ein Buch bei ihm vergessen, an dem mir recht viel gelegen ist.«
»Geh nur, Kind.« Die Freifrau zog mit abwesender Miene Briefbögen aus ihren Umschlägen. »Es ist gut, wenn du dich ein wenig zerstreust. Ich weise Bernstein an, dass er Geld mitnimmt. In ein Kaffeehaus darf ich dich ohne angemessene Begleitung zwar nicht lassen, aber er kann uns Torte kaufen, die wir nachher zum Kaffee verspeisen.« Sie sah Kato lächelnd an. »Wäre das nicht sehr hübsch und gemütlich, Katharina? Wir trinken Schokolade und spielen eine Partie Dame.«
»Ja, sehr hübsch, Frau Mama. Danke.« Kato stand auf und knickste.
Bernstein, der große, schweigsame Leibkutscher ihres Vaters, hatte zu ihrer Freude die kleine Chaise anspannen lassen.
»Ohne Eskorte?«, fragte sie halb hoffnungsvoll, halb über sich selbst amüsiert.
Der Kutscher lächelte auf sie herab. »Genüge ich Ihnen als Beschützer nicht, Fräulein Kato?«
»Ich freue mich, dass du mich fährst, Onkel Jakob«, sagte sie und gab das Lächeln zurück. Ihre Stiefmutter duldete es eigentlich nicht, dass sie so vertraulich mit dem Personal sprach, aber Kato hatte in solchen Dingen ihren eigenen Kopf.
Als wäre sie noch immer das kleine Mädchen, das er einst auf den Knien gewiegt hatte, fasste der Kutscher sie ohne weitere Umstände um die Taille und hob sie in ihren Sitz. Dann schwang er sich neben sie und ließ die Peitsche knallen.
Die Stiefel waren schnell angemessen und Kato hätte das kurze Stück in die Kleeblattgasse gerne zu Fuß zurückgelegt, aber Bernstein bestand darauf, seinen Auftrag weisungsgemäß auszuführen. Er wartete, bis sie die Ladentür geöffnet hatte und eingetreten war, dann schnalzte er mit der Zunge und den Zügeln, rief »Ho!« und ließ die Kutsche davonrollen.
Das Bimmeln der Ladentür verhallte, ohne dass jemand zu ihr gekommen wäre. Kato stand in dem Dämmerlicht, das den Laden auch bei hellstem Sonnenschein erfüllte, und trat von einem Fuß auf den anderen. »Herr Tiez?«, rief sie. »Hallo? Ist jemand da?«
Immer noch regte sich nichts in den Tiefen des Ladenlabyrinths. Kato seufzte ungeduldig und schob sich an den eng stehenden Regalen vorbei zur Tür. Sie klopfte an das dunkle, vom Alter und der Berührung unzähliger Hände glatt polierte Holz und drückte dann beherzt die Klinke hinab.
Der Raum, in den sie nun schaute, war weder die tickende, raschelnde Werkstatt mit den vielen
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