Aethermagie
niemandem zu reden«, sagte sie leise. »Er fürchtet sich vor der Geheimpolizei, genau wie Sie.«
Herr Tiez nickte und rieb sich die Nase. »Gehen wir nach vorne«, schlug er vor. Er winkte dem blauen Feuerteufel, der immer noch seine Purzelbäume schlug: »Danke, Laskabir. Ich brauche dich nicht mehr.«
Der Salamander verharrte, verneigte sich kurz und verschwand auf dieselbe augenverzerrende, gehirnverdrehende Weise wie Calander am Tag zuvor. Kato blinzelte heftig. »Warum ist er blau?«, fragte sie.
Der Antiquar hielt ihr die Tür auf. »Ein Bläuling«, erwiderte er zerstreut. »Es gibt verschiedene Arten von Plasmawesen.«
Kato registrierte ohne Überraschung, dass sie nun in einem gemütlich eingerichteten Wohnzimmer standen, ohne dem unhöflichen jungen Mann mit seiner mechanischen Ratte begegnet zu sein. »Sie wohnen in einem seltsamen Haus, Meister Tiez«, bemerkte sie.
»Findest du?« Der Antiquar sah sich mit fragender Miene in dem behaglichen Wohnzimmer um, als suchte er vergeblich nach einem Gegenstand, der das Attribut »seltsam« verdiente.
Kato schüttelte den Kopf und gab es auf. »Der junge Mann«, sagte sie und suchte sich einfach einen Platz auf dem Sofa, als Herr Tiez keine Anstalten machte, ihr einen anzubieten. Sie fing seinen vollkommen verwirrten Blick auf und erklärte: »Der schwarzhaarige Mann in der Werkstatt, der die mechanische Ratte zusammenbaut. Wer ist das?«
»Oh.
Der
junge Mann.« Horatius Tiez nickte erleichtert. Kato sah sich um. Sie war hier noch nie jemandem außer dem Antiquar begegnet, aber er tat so, als wimmele es in seinem Geschäft vor Horden von jungen Männern, die er unmöglich auseinanderhalten konnte.
Kato wartete darauf, dass er fortfuhr, aber Tiez rieb sich unschlüssig die Hände und murmelte: »Bin gleich zurück.« Er verschwand durch eine Tür ins Nebenzimmer.
»Dieses Haus hat zu viele Türen.« Kato lehnte sich zurück und betrachtete das Wohnzimmer. Es sah aus, als würde es häufig und gerne benutzt. Auf dem Tisch lagen aufgeschlagene Bücher und eine Pfeife, an der Wand standen Bücherregale und hingen dunkle Ölgemälde, auf einem kleinen Sekretär stapelten sich Papiere, geöffnete und ungeöffnete Briefe und wieder Bücher. In einer Ecke stand ein Korb mit altem Spielzeug und Geräten, deren Funktion Kato nicht erraten konnte. Dann gab es kleine Stellagen mit hübschen Porzellangegenständen und Topfpflanzen, einen abgetretenen Teppich, verblichene Tapeten, einen Kronleuchter ohne Kerzen, zwei dunkle Ætherlampen und einige durchgesessene Polstersessel.
Kato beendete die eingehende Musterung des Wohnzimmers und wandte sich den Büchern auf dem Tisch zu. Eins davon enthielt lange Reihen von mathematischen oder physikalischen Formeln und Zahlen, die in Tabellenform aufgelistet waren. Sie legte es beiseite und widmete sich dem anderen, das aufgeschlagen darunter lag. »Horatius Tiez«, las sie auf dem vergilbten Vorsatzblatt. Die Schrift war altmodisch verschnörkelt und schlecht zu entziffern. »Die hohe Kunst der Æthermagie und der Beschwörung elementarer Geister«.
Kato staunte und blätterte um. Sie las das Vorwort und überflog die ersten Seiten, dann blätterte sie wahllos im Buch herum und las hier und da eine Überschrift, betrachtete eine Abbildung und überflog einen Absatz. Dann blätterte sie zurück zum Anfang und begann zu lesen.
Als nun Herr Tiez mit einem Tablett in den Händen eintrat, überraschte er Kato bei ihrer gebannten Lektüre. Er stellte seine klimpernde Last ab und sagte: »Liebes Kind, liebes Fräulein Kato, meine Liebe … Das ist keine geeignete … Sie sollten das nicht lesen. Bitte.«
Kato riss sich von der Beschreibung eines Ætherwesens los, das im fließenden Wasser zu Hause war und deshalb nur eine dünne Ætherschicht wie einen Mantel um sich gehüllt trug, und sah den Antiquar an. »Wer hat das Buch verfasst? Einer Ihrer Vorfahren?« Sie deutete auf den gleichlautenden Namen.
Horatius Tiez stammelte: »Ah. Ja. Nein. Doch, natürlich. Mein Groß… äh Urgroß… einer meiner Vorfahren. Aber natürlich. Wer sonst? Ich etwa?« Er brach in ein blechernes Gelächter aus, das abrupt verstummte. »Schokolade?«
Kato musterte ihn misstrauisch. »Sie lügen, Herr Tiez«, sagte sie streng. »Sie sind ein schlechter Lügner.«
Der Antiquar sank ihr gegenüber in einen Polstersessel und schlug die Augen nieder. »Liebes Kind, es ist ein wenig kompliziert zu erklären, in welchem Verhältnis ich zu dem Verfasser
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