Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
schon in das letzte Stadium gehen konnte.
Es machte ihn fast verrückt, dass der Andere da oben war. Valentin hätte Paul Falkenberg bei seinem Erscheinen am liebsten ins Haus gezerrt und das Leben aus dem Leib geprügelt. Aber das war nicht möglich gewesen, dann hätte er den Diener auch noch beiseite schaffen müssen, und das passte alles nicht in seinen Plan. Also hatte er den Eindringling einfach draußen stehen lassen. Wahrscheinlich würde sein Rivale es später noch einmal versuchen, aber bis dahin hatte Valentin noch ein paar Überraschungen bereit.
Valentin spürte seine Wut auf so vielschichtige Art in ihm schwelen, dass es für ihn schwierig war, ruhig zu bleiben und klar zu denken. Er zwang sich, Annabelle anzusehen, um auf andere Gedanken zu kommen. Schließlich hatte er sie hier, bei sich, in Sicherheit, alles andere würde sich ergeben.
Valentin deckte Annabelle zu und berührte sanft ihr Haar. Er hatte noch nie solche Zärtlichkeit gefühlt, seine Fingerspitzen schienen ein neues Eigenleben zu haben und ganze Welten erschlossen sich ihm durch sie. Lange Zeit hatte er sich verboten, etwas zu fühlen, die Realität war zu schmerzhaft gewesen. Aber jetzt, so kurz vor der Erfüllung seiner Wünsche, da wurde er ungeduldig. Er wollte ihr nicht wehtun, nein, das war ganz und gar nicht seine Absicht. Aber sie musste verstehen, was er vorhatte. Sie konnte nicht einfach gehen, und sie hätte auch seinen Vater nicht heilen dürfen. Das war nicht geplant.
Aber er machte sich dafür selbst verantwortlich, sie konnte es nicht besser wissen. Er hätte sie in seine Pläne früher einweihen sollen. Nun glaubte sie, er wäre nicht einverstanden damit, dass sein Vater ihr Anteile an den Werken überschrieben hatte. Aber das stimmte nicht, er war nur nicht einverstanden mit der Anzahl: Er, Valentin, hätte ihr gerne Selbst die Hälfte vermacht. Obwohl das natürlich nur symbolisch war, denn wenn sie erst Mann und Frau waren, dann würde ihr ja auch alles gehören. Und was brauchte sie denn dann noch? Er würde ihr alles kaufen, was sie begehrte! Aber sein Vater musste ihm ja zuvor kommen, mit dieser albernen Feier, diesem Gerede über die alten Zeiten, und diesem lächerlichen Geschenk.
Er betrachtete die Kette und das Armband. Der kleine Otter schien ihn anzusehen, das war unheimlich. Er musste sie dazu überreden, dieses Schmuckstück abzulegen. Natürlich war es äußerst kunstfertig, aber es passte nicht zu ihr. Sie sollte nur vom Allerfeinsten tragen, das würde sie schon bald verstehen.
Es war noch nicht zu spät. Sie war jetzt hier, und er würde ab sofort einfach alles genauso machen, wie geplant. Er strich eine Haarsträhne beiseite und verharrte kurz mit seinen Fingern über ihrem Ohr, beugte sich hinunter und küsste sie sanft auf die Schläfe. Dann stand er auf und verließ den Raum.
* * *
Es war Annabelle fast unmöglich gewesen, nicht entsetzt zurück zu zucken, als sie gespürt hatte, wie er sie berührte. Sie beherrschte sich mit aller Kraft und stellte sich weiterhin schlafend. Zu ihrer Erleichterung hörte sie Schritte weggehen und eine Tür, die leise geschlossen wurde. Sie öffnete vorsichtig die Augen und sah sich um. Er war tatsächlich weg. Eine Lampe stand glimmend auf dem Tisch neben ihr, und sie drehte den Docht höher, um mehr Licht zu haben.
Sie befand sich in einem kleinen Raum, der keine Fenster, aber zwei Türen hatte. Hier gab es nur ein Sofa, einen kleinen Tisch, einen Bücherschrank und einen riesigen Schreibtisch. Sie stand auf und untersuchte die Papiere auf der Oberfläche der Arbeitsplatte. In einem Buch fand sie winzig kleine Zahlen in einer unfassbar ordentlichen Schrift, hatte aber keine Ahnung, was hier berechnet worden war. Ein anderes Werk zeigte Zeichnungen von Menschen, es war ein anatomisches Lehrbuch. Da waren weitere medizinische Bücher, vor allem über den Bewegungsapparat. Sie fand ein Buch mit Skizzen – Bewegungsstudien, aber auch Konstruktionsskizzen über ein Skelett und einige andere anatomische Teile, wie zum Beispiel einen Kehlkopf zur Lauterzeugung.
Es überraschte sie nicht wirklich. Sie hatte sich schon gedacht, dass Valentin die mechanischen Puppen und den Professor erschaffen hatte. Unter anderen Umständen hätte sie das sogar spannend gefunden und Hochachtung vor seiner Leistung gehabt. Aber nach allem, was geschehen war, empfand sie nur Abscheu. Irgendetwas war mit Valentin geschehen, und er war nicht wirklich zurechnungsfähig.
Was nutzte
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