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Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)

Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)

Titel: Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Bagus
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Bezugspersonen und Freunde. Er hatte keinen Anker, niemanden, der ihm den Weg gewiesen hätte, und so hatte er sich seinen eigenen Weg gesucht. Und so, wie sich niemand um ihn gekümmert hatte, kümmerte er sich nun nicht um all die, die seinen Plänen im Weg standen.
    Annabelle wusste, dass sie Macht über ihn hatte. Aber wie sie diese Macht einsetzen konnte, wusste sie noch nicht. Sie hoffte, dass es ihr im richtigen Moment einfallen würde. Sie war immer wieder versucht, die Pistole zu ziehen, aber die grässliche Metallpuppe beobachtete sie fast ununterbrochen.
    „Wo gehen wir hin?”, fragte sie, um sich davon abzulenken, wie sehr sie die Präsenz der schrecklichen Konstruktion, die ihnen folgte, verstörte. Die mechanische Frau bewegte sich elegant und fast lautlos, aber ihr Anblick war widerlich.
    „In die Fabrik”, sagte Valentin.
    Annabelle bemerkte, dass der Boden des Tunnels jetzt mit grünen Schleiern bedeckt war. Æther. Sie sah genauer hin, und bemerkte, dass sich etwas darin bewegte, kleine Dinge, wie Insekten. Je weiter sie liefen, umso mehr wurden es. Sie mussten anhalten, weil Valentin eine Tür öffnete, und sie sah, dass diese unten eine Öffnung hatte, durch die ein Strom solcher Wesen hin und her wuselte. Sie waren aus Metall, ähnlich wie Pauls Geschöpfe, nur nicht nach natürlichen Vorbildern geformt, sondern in allen möglichen fantastischen Bauarten. Es war wie in dem Raum unter der Babbage Maschine, und Annabelle wünschte sich, ihren mechanischen Freund an der Seite zu haben. Was hatte Valentin wohl mit Hänsel gemacht?
    Das Stampfen der Dampfmaschinen wurde immer lauter und sie spürte die Erschütterung durch die Sohlen ihrer Schuhe. Sie erreichten eine Tür und dahinter eine metallene Wendeltreppe, die sich in die Dunkelheit schraubte. Als Valentin oben ankam, legte er einen Schalter um und die Halle wurde mit Licht geflutet.
    Sie war riesig, es hätten gut acht oder zehn Tennisplätze darin untergebracht werden können. Die Wendeltreppe schraubte sich weiter nach oben auf eine zweite Ebene, die die Halle mit einem filigranen Gerüst überspannte. Valentin kletterte weiter nach oben und Annabelle folgte ihm. Von oben konnte sie die Halle überblicken. Das Dach war eine Kuppel aus Glas, welches auf der Höhe der zweiten Ebene begann, und Annabelle sah nach draußen. Man hatte einen wundervollen Blick rundherum, da waren die Schornsteine der Werke, dort der Rhein, und sie sah auch das Haus im Æthernebel. Sie sah in den Himmel: Jetzt könnte Georg Hartmann kommen, der Geflügelte, und sie wegtragen, in Sicherheit … Ihr wurde schwindelig, sie spürte, dass Valentin sie erwartungsvoll ansah, und versuchte, sich auf ihrem Gesicht nichts anmerken zu lassen.
    Alles unter ihr war in unablässiger Bewegung, vom kleinsten Zahnrad bis zu den Kolben der gewaltigen Maschinen, die wie riesige urzeitliche Dinosaurier auf einer Weide wirkten. Zwischen den Kolossen fuhren Maschinen auf Rädern und Ketten hin und her, oder staksten auf mehrgliedrigen Beinen herum. Von den Maschinen lösten sich ständig Teile, wie Dreckklumpen aus dem Fell von Weidetieren und fanden sich zu kleineren Verbänden zusammen, immer mehr, immer größer, bis es selbst wieder irgendeinen sinnhaften Aufbau erreichte und seinen nur ihm bekannten Zweck erfüllend weiter zog.
    Das hintere Ende war offen für den Zugang zum Fluss, man konnte das Wasser von hier aus aber kaum erkennen, der grüne Æthernebel wirbelte dort fast undurchsichtig. Man sah nur einen Metallarm, der sich von dort aus über den Fluss spannte und den Æther aufsog.
    „Was ist das hier?”, fragte Annabelle und realisierte jetzt erst, dass sich ausser ihnen kein Mensch in der Halle befand.
    „Das ist die Zukunft”, sagte Valentin getragen. „Das ist meine Vision. Ich werde bald ganz auf menschliche Arbeiter verzichten können. Niemand wird mehr unter solchen Bedingungen wie bisher schuften müssen, und vom Æther verdorben werden.”
    Annabelle sah ihn an. Das war nicht das, was sie von ihm erwartet hatte! Valentin als Wohltäter? Sie sah echte Faszination in seinen Augen und den Wunsch, dass sie ihn verstehen und wertschätzen möge. Es machte ihn aber nicht weniger furchterregend, denn sein Ætherzwilling lauerte immer noch hinter ihm, ganz nahe bei der grotesken Frau aus Metall und totem Fleisch.
    „Ich wusste nicht, dass es dich kümmert”, sagte sie vorsichtig.
    „Ich bin kein Monster, Annabelle!”, sagte er und kam einen Schritt näher.

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