Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
schmeichelhafter Vergleich”, sagte Annabelle mürrisch.
„Es ist nicht leicht, ein gutes Kleid von der Stange zu kaufen. Vielleicht solltest du doch zu einer Schneiderin gehen. Ich wüsste da einige, die wirklich gut sind.”
Annabelle schloss müde die Augen. „Ich möchte einfach nur ein neues Kleid. Was ist denn daran so schwierig.”
Johanna lachte: „Ach, Annabelle. Du bist so widerspenstig. Glaubst du nicht, dass es Paul gefallen würde, wenn du nach der neuesten Mode gekleidet wärst?”
„Ich glaube, dass Paul nicht weiß, was die neueste Mode ist. Er kennt sich mit Sicherheit besser mit der Mode auf alten Meistern aus, als mit den Kreationen aus Paris.”
„Und ich glaube, da tust du ihm Unrecht”, sagte Johanna. „Jemand, der so wunderbare Schmuckstücke fertigt, hat ein Auge für Schönheit.”
Es wäre mir im Moment lieber, er wäre blind, grummelte Annabelle, sprach es aber nicht aus. Die Russin war heute Morgen wieder hochgeschlossen aufgetaucht, und hatte bewiesen, dass man komplett verhüllt trotzdem eine Menge zeigen konnte. Zu allem Überfluss benahm sie sich tadellos, bis auf die Tatsache, dass sie an Pauls Lippen hing und mit ihren schwarzen Augen fast aufspießte, wie einen schönen Schmetterling, den man fängt und dann hinter Glas pinnt, um ihn ganz nah zu betrachten.
Annabelle musste Paul zugutehalten, dass er sich seinerseits der Dame gegenüber tadellos verhielt. Was allerdings auch bedeutete, dass er auf jeden ihrer Konversationsversuche ausführlich einging. Annabelle hatte nicht geahnt, wie viel man über russische Ikonenmalerei reden konnte.
„Hast du denn einen besonderen Wunsch zu deinem Geburtstag?”, fragte Johanna neugierig. Sie prüfte den Saum eines Kleides kritisch und verwarf es dann.
„Das hat ja noch ein bisschen Zeit.” Annabelle wusste ganz genau, was sie sich wünschte. Allein sein mit Paul. Weggehen, irgendwo hin, an den Schurmsee, in die Provence …
„Es sind nur noch sechs Wochen”, gab Johanna zu bedenken: „Wenn du dir ein Kleid schneidern lassen möchtest, dann solltest du es jetzt in Auftrag geben. Die Schneider sind alle schon beschäftigt mit den Aufträgen für die Frühjahrsrennen in Iffezheim.”
Annabelle sah sich um. In dem kleinen Geschäft an der Allee gab es wirklich schöne Kleider. Und schöne Menschen. Sorglose Menschen. Lachende, fröhliche Menschen. Warum war ihr nach Heulen zumute?
„Du hast recht”, sagte sie zu Johanna. „Bring mich zu einer Schneiderin.”
Vielleicht würde eine neue Ausstattung tatsächlich etwas ändern.
* * *
Nach endlosem Stoffe aussuchen, Schnitte anschauen und den für- und wider Argumenten von vielen oder wenigen Accessoires, hatte Annabelle sich bewegen müssen, schnell, ohne sich durch Menschen zu quetschen und deren Blicke im Rücken zu spüren. Sie war mit ihrem Wallach Oberon weit im Schwarzwald oben gewesen. Jetzt war sein schwarzes Fell schweißnass und er schnaubte heftig. Schaumflocken tropften aus seinem Maul. Annabelle stieg ab und führte ihn in den Stall.
„Ich grüße Sie, Fräulein Annabelle”, wurden sie von Richard Naumann empfangen. Dann runzelte er die Stirn: „Was haben Sie gemacht? Oberon muss erst abkühlen. So kann er nicht in die Box. Der holt sich den Tod.”
„Können Sie das nicht ausnahmsweise übernehmen? Bitte, ich muss schnell ins Haus”, bat ihn Annabelle. „Ich komme auch gleich wieder und reibe ihn trocken.” Sie wusste, dass der Mann ihr das nicht abschlagen würde. Er war nicht wirklich ihr Angestellter, eher so etwas wie ein Aufpasser, aber er liebte Pferde und konnte gut mit ihnen umgehen. Seit er hier war, konnte sie Oberon und Titania wieder in dem Stall beim Haus halten, und nicht in einem Mietstall.
Naumann nickte und Annabelle küsste ihn auf die Wange. Sie hatte eine Idee, die ihre und Pauls Stimmung heben sollte. Sie lief ums Haus herum und wollte über die Terrasse eintreten, ihr Reitkleid wirbelte ihr dabei um die Beine und sie löste den Schal, welchen sie um ihre Haare gewunden hatte. Die Terrassentür war geschlossen, aber sie konnte Paul in der Bibliothek erkennen. Er beugte sich über etwas, das auf einem Tisch lag und neben ihm, so nah, dass sie ihn berühren musste, stand die Russin. Die Hand an der Klinke, blieb Annabelle stehen und beobachtete, wie Paul sich aufrichtete und etwas erklärte. Sie erkannte an seiner Gestik, seiner Haltung und dem Blick in seinen Augen, dass es etwas war, was ihn faszinierte. Er fuhr sich immer
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