Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
„Ich wollte Sie nicht beleidigen.”
Naumann schüttelte den Kopf. „Das hast du nicht. Wir haben es so entschieden und leben schon länger damit, als du auf der Welt bist. Aber du stehst Karl so nahe, dass ich mich auch irgendwie für dich verantwortlich fühle. Du bist nun erwachsen, und musst erwachsene Entscheidungen treffen.”
Er sagte ihr nicht, welche Entscheidung sie treffen musste, und als sie sich ins Haus zurück schlich, fühlte sie sich immer noch schlecht. Sie wollte Paul heute nicht mehr sehen – oh, wie sehr wollte sie ihn sehen, und fühlen … – und verkroch sich in ihrem Zimmer. Als es an ihrer Tür klopfte, und sie eine vertraute Stimme hörte, konnte sie allerdings nicht widerstehen.
* * *
Karl Burger war zum Abendessen gekommen. Wie es seine Art war, hatte er den Raum für sich gewonnen, indem er wie ein heißer Wüstenwind den Staub aufwirbelte und den Schweiß auf der Stirn trocknete. Annabelles Patenonkel war immer ein Mensch, um den man sich scharte. Seine meist gute Laune war ansteckend, sein Lachen dröhnend und seine Geschichten pointiert und witzig. Aber heute Abend hatte selbst der mit allen Wassern gewaschene ehemalige Spion des Kaisers seine Schwierigkeiten. Auch er hatte nicht damit gerechnet, dass der vermeintliche russische Jüngling sich als eine slawische Eisprinzessin entpuppte.
„Wer trinkt denn jetzt den Wodka mit mir?”, fragte er zunächst noch erheitert.
Paul verzog schmerzhaft das Gesicht. Er war nicht so trinkfest wie sein Bruder. Aber nach der ersten Hälfte des Essens war er froh um 'sto gramm' Wodka, also ein 100-ml-Glas voll. Vielleicht würde es dann wärmer. Annabelle war still, Alexandra war still. Beide sprachen nur das Nötigste und nur wenn sie gefragt wurden.
Nach dem Essen zog Burger den jungen Mann in den Garten hinaus. Ihm war offenbar egal, dass er damit Annabelle und Alexandra allein miteinander sitzen ließ. Paul wehrte sich auch nicht.
„Was ist hier los?”, fragte Karl kritisch, als sie außer Hörweite waren.
„Keine Ahnung.” Paul zuckte mit den Schultern.
„Hör zu junger Mann, das kannst du vielleicht Frau Barbara erzählen, aber nicht mir. Annabelle ist eifersüchtig.”
„Ich weiß.”
„Und?”, fragte Karl auffordernd.
„Was und?”
„Gibst du ihr denn Grund dazu?”
Paul reckte das Kinn in die Höhe. „Was denkst du denn?”
„Was ich denke, ist hier nicht von Belang.” Karl zündete sich eine Zigarette an. „Was Annabelle denkt, zählt. Das ist ein ganz schöner Schlamassel. Ich bin zwar nicht an Frauen interessiert, aber das Fräulein Sorokin hat einige bemerkenswerte weibliche Attribute.”
Paul trat gegen einen Baumstamm: „Was soll ich tun? Ich kann sie ja nicht einfach nach wieder Hause schicken, und du hast wahrscheinlich auch keine Verwendung für sie. Und ich muss sie irgendwie in die Arbeit einweisen. Sie ist sehr klug, aber ich habe ein System, welches sie lernen muss. Das braucht Zeit. Es ist weiß Gott nicht so, dass ich diese Zeit nicht lieber mit Annabelle oder meiner anderen Arbeit verbringen würde.” Das war eine lange und heftige Rede für ihn.
Burger brummte. Paul betrachtete die Blüten des Apfelbaums und sah dann zu den Damen. Was für ein Unterschied zwischen den beiden war! Aber er sah, dass sie miteinander sprachen. Vielleicht würde ja doch alles gut.
„Ich glaube, Annabelle ist noch nicht über den Berg”, vertraute Burger Paul an.
Paul nickte: „Sie ist dickköpfig. Sie redet nicht, verschwindet einfach mit Oberon im Wald, oder verkriecht sich in ihrem Zimmer. Sie will es alleine mit sich abmachen. Aber sie ist immer noch verletzt, in ihrem Inneren. Es ist schon seltsam, dass ein Mensch, der so offenherzig ist wie sie, so verschlossen sein kann, wenn es um ihre Probleme geht.”
Burger lachte kurz: „Das hat sie von ihrem Vater. Der ist der sturste Mensch, den ich kenne. Um ihn herum konnte die Hölle losbrechen, er hat weiter gelesen oder gebuddelt. Wir waren einmal in ...”
Es folgte eine spannende Geschichte über die Abenteuer, die Dr. Burger mit Annabelles Vater erlebt hatte. Paul lauschte erleichtert.
* * *
Was für ein herrlicher Garten, dachte Alexandra. Sie versuchte schon seit ihrer Ankunft, sich ihren Neid nicht anmerken zu lassen. Alles hier war perfekt. Das wunderbare große Haus, die wertvollen Kunstschätze, die Stadt, die zu dieser Jahreszeit überall grünte und blühte und ihren vollen Charme entfaltete. Eigentlich sollte sie keinen Grund zur
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