Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
als sie ihn ansah. Zwischen Valentin und der Bühne gab es einen grünen Strom, der sich wabernd und flirrend durch die Luft bewegte. Das Grün kam aus seinen Augen, aus seinem Mund, aus seinen Händen und wanderte auf die Bühne, hoch zu den Tänzern und drehte sich mit ihnen, wirbelte und formte aus den steifen Puppen die wunderbaren Tänzer.
Es war Æther! Es konnte nur Æther sein, aber er kam aus Valentin heraus, und er selbst sah aus wie ein Geist. Die Musik wirbelte zum Höhepunkt und Annabelles Gedanken rasten. Sie musste schnell weg hier! Valentin war krank, ein Verdorbener oder was auch immer, aber sie konnte es nicht ertragen, mit so viel Æther in einem Raum zu sein. Sie schlug sich die Hand vor den Mund und versuchte durch den Handschuh zu atmen.
Die Musik erreichte ihren gewaltigen Höhepunkt, und als sie endete, blieben die Puppen stehen. Der grüne Nebelstrom hörte auf und Annabelle konnte nur noch einzelne Fetzen um Valentins Füße wabern sehen. Er sah sie an, er wartete auf ihr Urteil.
„Das … das war schön”, rang sie sich ab.
Er beugte sich zu ihr: „Nicht wahr? Oh, Annabelle, ich bin so froh, dass es dir gefällt! Ich wusste, dass es dir gefällt! Es gibt noch mehr! Weißt eigentlich, dass meine Mutter Sängerin war? Aber mein Vater hat alle Aufzeichnungen. Sie konnte so schön singen, und ich bin mir sicher, ihr hätte das Ballett auch gefallen, was denkst du?”
Annabelle schluckte. Er war so begeistert, wie ein Kind, aber sie hatte Angst. „Bestimmt. Valentin, ich bin wirklich müde.” Sie wollte nur weg! Er stand auf, und sie auch. Sie war erleichtert, er schien tatsächlich gehen zu wollen. Mit einigen schnellen Schritten war er vor ihr bei der Tür und verschloss sie. Von innen.
„Was tust du da?”, fragte sie erschrocken.
„Du kannst nicht gehen.” Er sah sie ruhig an. Sie konnte kleine grüne Wirbel um seinen Kopf herum erkennen.
„Warum nicht? Es ist spät”, sagte sie kläglich. Angst verengte ihr die Kehle.
Er kam auf sie zu: „Nein, ich kann dich nicht gehen lassen. Du würdest nach Hause gehen, mich verlassen, und das kann ich nicht zulassen. Du weißt doch jetzt, was ich wirklich bin, was ich kann, da kannst du mich nicht mehr verlassen.”
Sie ging rückwärts. „Was weiß ich denn, Valentin? Ich meine, ich fand es wirklich schön, ich liebe Tschaikowsky, aber ich muss morgen früh los.” Eigentlich wollte sie schreien: Du bist völlig verrückt, und ich will so schnell wie möglich weg von hier!
Er nahm sie am Arm und schüttelte den Kopf: „Nein, das musst du nicht. Ich muss dich davon überzeugen, hier zu bleiben.”
Ihr wurde übel. Sie presste die Hand vor den Mund und atmete hektisch.
„Warte mal, ich weiß etwas ...” Er ließ sie los und rannte zur Bühne. Sie rüttelte an der Tür, aber die war fest verschlossen. Das konnte doch nicht wahr sein! Entsetzt verknotete Annabelle ihre Hände und bemerkte das blaue Leuchten ihres Rings. Sie zog ihren rechten Handschuh aus und bedeckte so viel sie konnte von dem Otter mit ihrer Hand. Einerseits um Kraft aus dem Azurit zu schöpfen, andererseits um eine mögliche Verbindung, die Paul sich erhofft hatte, aufzunehmen und zu aktivieren. Ein Schluchzen stieg in ihrer Kehle auf, und sie unterdrückte es verzweifelt.
* * *
Paul schreckte hoch. Er war schon wieder am Schreibtisch eingeschlafen. Das wurde zur Gewohnheit. Was hatte ihn geweckt? Er stand auf und ging zum Feuer. Manchmal knackten und krachten die Scheite, aber es gab nur noch Glut. Er nahm den Schürhaken und stocherte darin herum, dann legte er noch Holz nach und beobachtete, wie es zu brennen begann.
Er war angenehm leer im Kopf. Das Auftauchen von Alexandra in dem tief ausgeschnittenen Kleid hatte ihn etwas verwirrt, aber er nahm es als natürlichen Reflex. So ein Ausschnitt konnte keinen Mann kalt lassen. Er dachte an Annabelles Brüste und daran, was er jetzt gerne mit ihr tun würde … Er hoffte, dass sein Bruder sich gut benehmen würde, aber eigentlich hatte er keinerlei Zweifel. Das Feuer prasselte und er beschloss, sich einen Schluck vor dem Schlafen zu genehmigen.
Mit dem Glas in der Hand sah er sich in der Bibliothek um und versuchte sich endlich in die Rolle des Hausherrn einzufinden. Vor einem halben Jahr war er hier hergekommen, und hatte sein Buch zum ersten Mal auf den Schreibtisch gelegt. Den Arbeitsplatz des Professors. Annabelle hatte ihn wie eine Furie fast verjagt, bevor sie sich nähergekommen waren. Und nun
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