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Affaere in Washington

Affaere in Washington

Titel: Affaere in Washington Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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das Paar unauffällig. Sie gehört zu den Frauen, die sich ohne Mann unvollkommen fühlen. Auf politischem Parkett ist sie seit Jahren zu Hause, der Glanz früherer Zeiten mit Vater umgibt sie noch immer. Perfekte Manieren, eleganter Stil und Geduld. Shelby seufzte leise. Wie können sich zwei Frauen äußerlich so ähnlich sehen und doch in ihrem Wesen so grundverschieden sein wie sie und ich?
    In Shelbys Augen hatte sich das Leben ihrer Mutter von jeher in einem mit Seide bezogenen Käfig abgespielt. Mochte die Seide noch so glänzen – ein Käfig blieb immer ein Käfig. Und Shelby liebte ihre Freiheit über alles.
    Sie erinnerte sich an allerlei unangenehme Beschränkungen in ihrer Jungmädchenzeit, an die diskreten, aber stets gegenwärtigen Leibwächter, die sorgfältig bewachten Partys und die komplizierte Alarmanlage. Immer tauchten dennoch von irgendeiner Seite Fotografen auf. Man war nie sicher, trotz aller Vorsicht. Der Todesschütze war zwar auf einen Film gebannt worden, aber ihrem Vater hatte das nichts mehr nützen können.
    Shelby wusste genau, was sich hinter der Pracht verbarg, was neben den Staatsempfängen, zwischen den Ansprachen und Galadinners vor sich ging. Hunderttausend kleine Momente der Furcht und viele Zweifel an der ausgefeilten Wachsamkeit hatte sie durchgemacht. Zu oft waren die politischen Attentate während der vergangenen zwanzig Jahre erfolgreich verlaufen.
    Aber Deborah Campbell war für dieses Leben geschaffen. Tolerant, doch stahlhart unter der zarten Haut, verkörperte sie den Wunschtraum eines jeden ehrgeizigen Politikers. Shelby dagegen würde dieses Leben nie wählen und keinen Mann lieben, der sie damit wieder in Berührung bringen würde und der auf so grausame Weise wieder von ihrer Seite gerissen werden könnte wie damals ihr Vater.
    Die Unterhaltung rauschte leise an ihren Ohren vorüber. Sie hob ihr Glas und leerte es, dabei traf ihr Blick Alans Augen. Da war sie wieder, diese ruhige, schlummernde Geduld, die sich ein Leben lang nicht abnutzen würde. Sie spürte förmlich, wie er sich stetig durch eine ihrer schützenden Hautschichten nach der anderen durcharbeitete, bis er dann endlich auf den kleinen Kern stoßen würde, den sie so gern für sich allein behalten wollte.
    Du Schuft! Fast hätte Shelby es laut gesagt. Aber in ihrem Blick mussten sich die Gedanken deutlich gespiegelt haben, denn sie erkannte das amüsierte Aufleuchten in seinen Augen, und sein Lächeln zeigte ihr, dass Alan MacGregor sie durchschaute wie Glas. Die Belagerung dauerte offensichtlich an.
    Hoffentlich habe ich genügend Reserven, damit er mich nicht aushungern kann, wünschte sich Shelby.

4. K APITEL
    Shelby stürzte sich eine ganze Woche lang in ihre Arbeit. Sie war gerade in einer ihrer besonders kreativen Phasen, die sie alle paar Monate überkamen. Kyle musste dann auf das Geschäft achten, während seine Chefin sich im Arbeitsraum einschloss und stundenlang an der Töpferscheibe saß oder mit ihren Farben umging. Sie begann oft schon um sieben Uhr morgens und war spät am Abend immer noch aktiv. Sie wusste genau, dass eine solche schöpferische Stimmung ausgenutzt werden musste, und akzeptierte die damit verbundene Besessenheit. Jedes irgendwie störende Element wurde rücksichtslos von ihr abgeblockt.
    Shelby war ehrlich genug sich einzugestehen, dass es sich bei diesem Beschäftigungsdrang um eine Art Selbsthilfe ihres Wesens handelte. Er trat nämlich meistens dann auf, wenn etwas sie beunruhigte oder sie sich bedroht fühlte.
    Während sie arbeitete, konzentrierten sich ihre Gedanken und Gefühle völlig auf das Projekt unter ihren Händen. Dadurch erübrigte sich jedes Problem, wenigstens für diesen Zeitraum. In den meisten Fällen hatte sich dann eine Lösung gefunden, wenn ihre kreative Phase sich dem Ende näherte. Aber dieses Mal klappte das leider nicht.
    Die ungestüme Arbeitswut, die Shelby fast acht Tage lang in Atem gehalten hatte, legte sich in der Nacht zum Samstag. Aber Alan, den sie inzwischen eigentlich hätte vergessen haben müssen, war in ihr lebendiger denn je. Sie ärgerte sich darüber, war unzufrieden mit sich selbst. Aber das änderte nichts daran, dass er durch all ihre Gedanken geisterte, frisch und munter wie bei ihrem letzten Zusammensein.
    Alan hatte Shelby nach jenem Abend bei den Ditmeyers wieder an ihrer Haustür abgeliefert. Ein kurzer Kuss war seine Verabschiedung gewesen, nicht mehr. Mit hereinkommen wollte er nicht – zu Shelbys Erleichterung.

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