Affaere in Washington
hinein. Das Volk mag es, wenn der erste Mann an der Spitze in jeder Beziehung eine gute Figur macht. Der familiäre Hintergrund ist sauber und solide. Auch die Tatsache, dass Ihre Mutter als Chirurgin äußerst erfolgreich ist, kommt Ihnen zugute.«
»Mutter würde sich sehr freuen, das zu hören«, meinte Alan trocken.
»Tun Sie nicht so, als wüssten Sie es nicht selbst. Verständnis für berufstätige Frauen bringt einen ganzen Sack voll an Wählerstimmen. Ihr Vater ist bekannt dafür, dass er seine eigenen Wege geht, aber fair und ehrlich. Es ist kein Wespennest auf Ihrem Dachboden versteckt.«
»Leo …« Alan drehte das Eis in seinem Glas und sah dem Minister direkt in die Augen. »Wer hat Sie beauftragt, mit mir zu sprechen?«
»Außerdem sind Sie schnell von Begriff.« Der Minister verzog keine Miene. »Wollen wir es mal so nennen: Man hat mich gebeten, das Gespräch mit Ihnen zu suchen.«
»Na schön. Dann möchte ich grundlegend feststellen, dass ich die Möglichkeit nicht ausschließe, mich für das höchste Amt zu bewerben.«
»Sehr gut.« Leo nickte in Shelbys Richtung. »Ich persönlich mag das Mädchen gern. Wird sie aber für Sie von Vorteil sein? Ich hätte mir Sie beide nie als Paar vorstellen können.«
»Oh!« Alan blieb ruhig, aber er zog die Augen ein wenig zusammen.
»Campbells Tochter – sie kennt die Regeln, schließlich war sie schon als Kind bei seinen Wahlreisen dabei.« Leo wog in Gedanken das Für und Wider ab. »Shelby ist mit Politik aufgewachsen, man braucht ihr nichts beizubringen, was Protokoll und Diplomatie angeht. Allerdings ist sie eine Einzelgängerin.« Er streifte sorgfältig die Asche ab. »Seit Jahren macht sie die gesellschaftliche Szene in Washington unsicher, sie hat viele Freunde – mich zum Beispiel –, hat aber auch einigen Leuten kräftig auf die Zehen getreten.«
Leo zog genussvoll an seiner Zigarre, während Alan beharrlich schwieg. »Wahrscheinlich könnte man ihr die scharfen Kanten etwas abschleifen«, fuhr der Staatsmann fort. »Sie ist jung und intelligent. Ihre Erziehung und die Familie sind tadellos, attraktiv ist sie auch und nicht eitel. Sie ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Vor allem kann sie mit Menschen umgehen. Eigentlich eine ausgezeichnete Wahl – vorausgesetzt, Sie können sie sich hinbiegen.«
Alan stellte sein Glas auf den Tisch, am liebsten hätte er es an die Wand geschmettert. »Shelby ist nicht als Trumpfkarte gedacht.« Seine Stimme war eiskalt, aber vollkommen unter Kontrolle.
Eingehend betrachtete Leo die Spitze seiner Havanna. Jetzt habe ich einen Nerv berührt, dachte er. Aber er war mit Alans beherrschter Reaktion äußerst zufrieden. Ein Hitzkopf an der Spitze der militärischen Streitkräfte war nicht tragbar.
»Natürlich haben auch Sie ein gewisses Anrecht auf Privatleben«, sagte er. »Aber wenn Sie endgültig entschlossen sind, Ihren Hut in den Ring zu werfen, muss der Ihrer Lady hinterherfliegen. Unsere Kultur beruht auf der Wahl eines gleichberechtigten Partners. Als Paar sollte immer einer den anderen ergänzen.«
9. K APITEL
Bei Sonnenschein und in bester Laune öffnete Shelby am Montagmorgen die Tür von »Calliope«. Allerdings hätte es ihre Stimmung auch nicht beeinflusst, wenn ein Monsun durch die Straßen gefegt wäre. Sie dachte glücklich an den langen, faulen Sonntag, den sie mit Alan verbracht hatte.
Shelby setzte sich hinter den Ladentisch, die Morgenzeitung lag vor ihr. Wie üblich las sie zuerst die vergnügliche Seite mit den Karikaturen. Treffend und überaus witzig! Sie lachte laut und hoffte, dass der Vizepräsident an diesem schönen Tag seinen Sinn für Humor nicht zu Hause vergessen hatte.
Aus Erfahrung wusste sie, dass die meisten Menschen im Rampenlicht nichts gegen diese Art von Publizität einzuwenden hatten, wenn es nicht zu schlimm wurde. Gezeichnet war die Spalte mit G. C., wodurch der Autor sich eine gewisse Anonymität bewahrte. Sicherlich hatte Grant das auch nötig, er traf zu oft in Schwarze.
Mir liegt es nicht, dachte Shelby. Ich sage meine Meinung lieber offen und frei heraus.
Nach wenigen Minuten verdunkelte sich die Tür, und Maureen Francis stand im Laden.
»Hallo!« Shelby schob die Zeitung beiseite. Die Architektin war wieder sehr gepflegt und nach der letzten Mode gekleidet. »Sie schauen fabelhaft aus.« Shelby bewunderte neidlos das schicke Kostüm der jungen Frau.
»Guten Tag.« Maureen stellte einen Aktenkoffer auf dem Ladentisch ab. »Ich möchte meine
Weitere Kostenlose Bücher