Affaere in Washington
»Man kann deinem Vater nur schwer widerstehen, so ähnlich, wie es mir bei seinem Erstgeborenen geht.«
»Diese Bezeichnung darf nur mit allergrößter Ehrfurcht gebraucht werden«, warnte Alan mit unbewegtem Gesicht. »Mir hängt es zwar zum Hals heraus …«
»Oh, sieh doch mal! Ist das schön!« Shelby hob vorsichtig eine glänzende Vase von ihrer Konsole. »Eine Chantilly Vase. Alan! Ich schwöre es dir, dieses Haus ist besser als eine versunkene Galeere. Ich könnte stundenlang hier herumwandern.« Nachdem sie das wertvolle Stück behutsam an seinen Platz zurückgestellt hatte, fragte sie Alan neckend: »Bist du jemals in eine dieser Rüstungen geklettert?«
»Caine hat es einmal gewagt, und danach brauchte ich über eine Stunde, um ihn wieder herauszubekommen.«
Shelby nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände. »Du warst ein so guter Junge.« Noch während sie lachte, hob sie ihm ihr Gesicht entgegen und drückte ihre Lippen auf seinen Mund in einem überraschenden Kuss, der hart und fordernd zugleich war.
»Er stieg in die Rüstung«, erklärte Alan, während er ihr Haar hinter das Ohr steckte, um den Kuss zu vertiefen, »weil ich ihm eingegeben habe, dass es doch ein besonders spannendes Erlebnis sein müsse.«
Atemlos sah Shelby zu ihm auf. Wann würde sie auf diesen plötzlichen Wechsel in seinem Wesen gefasst sein? Die so gefährliche Seite seiner Natur traf sie immer wieder unvorbereitet. »Ein Anstifter bist du also«, brachte sie schließlich heraus.
»Ein zielbewusster Anführer«, korrigierte er und ließ Shelby los. »Schließlich habe ich ja meinen Bruder dann großmütig wieder aus der Rüstung befreit, allerdings erst, nachdem er Rena damit fast zu Tode erschreckt hatte.«
Shelby hatte sich an die kühle Wand gelehnt, und ganz langsam wurde ihr Pulsschlag ruhiger. »Wahrscheinlich bist du überhaupt nicht lieb und artig gewesen, Alan. Das hast du mir nur vorgeschwindelt. Die gebrochene Nase geschah dir sicher recht.«
»Oh nein! Caine verdiente sie mehr.«
Shelby lachte. »Ich mag deine Familie«, sagte sie.
»Ich auch.«
»Und es scheint dir zu gefallen, wenn ich mich mit deinem Vater messe.«
»Ich habe schon immer eine Vorliebe für Salonkomödien gehabt«, erwiderte Alan.
Shelby schmiegte sich eng an ihn. »Sag mal, woher stammt eigentlich deines Vaters Idee, dass wir heiraten wollen?«
Alan knipste eine Stehlampe an, die im Gang stand. »Ich erzählte ihm von meinem Antrag. Allerdings fehlt ihm jedes Verständnis dafür, dass sein Erstgeborener kein sofortiges Jawort bekam.« Alan hielt Shelby zwischen seinen Armen und der Wand gefangen. »Wie lange wirst du für eine Antwort brauchen?«
Die Frage war ihm herausgerutscht, er wollte Shelby nicht drängen. Aber hier, in seiner häuslichen Umgebung und inmitten der MacGregor’schen Familie, war seine Sehnsucht nach ihr übermächtig geworden. »Ich liebe dich, Shelby.«
»Das weiß ich.« Sie schlang die Arme um seinen Hals. »Ich liebe dich auch, das musst du mir glauben. Gib mir noch ein Weilchen, Alan, bitte. Ich weiß, dass es viel verlangt ist, aber – bitte!« Shelby schob ihn sanft zurück, damit sie ihm ins Gesicht blicken konnte. »Du bist fairer als ich, Alan, geduldiger und freundlicher. Das muss ich ausnutzen.«
Alan fühlte sich weder geduldig noch fair. Er hätte sie am liebsten in die Enge getrieben, gefordert, gezwungen! Aber er beherrschte sich. »Gut, Shelby. Doch wenn wir zurück in Washington sind, müssen wir darüber reden. Ich muss mich entscheiden, und du musst es auch.«
Shelby biss sich auf die Lippe. Sie ahnte, worum es bei seiner Entscheidung gehen würde. Jetzt nicht, flehten ihre Augen. Wenn dieses Wochenende vorüber ist, werde ich mich deinen Fragen stellen – irgendwie. Aber jetzt lass uns die Gegenwart genießen, ohne politische Wolken, ohne Hinweis auf die Zukunft. »Ich verspreche es dir«, flüsterte sie.
Alan nickte. Dann legte er eine Hand um ihren Nacken unter dem Haar und küsste sie. »Es ist spät geworden«, murmelte er. »Wahrscheinlich liegen die anderen längst in ihren Betten.«
»Wir sollten auch schlafen gehen«, meinte Shelby.
Alan lachte und knabberte an ihrem Ohrläppchen. »Was hältst du von einem mitternächtlichen Bad?«
»In einem Swimmingpool?« Shelby schloss die Augen, um seine Zärtlichkeiten ganz auszukosten. »Ich habe keinen Badeanzug mit.«
»Gut.« Am Ende des Ganges war eine Doppeltür. Alan nahm Shelby bei der Hand und ging darauf zu. Er öffnete die
Weitere Kostenlose Bücher