Affinity Bridge
während sich der glühende Polizist, benommen
vom Sturz, auf die Seite rollte und zum anderen Ende des Dachs krabbelte, um
eine Verschnaufpause zu bekommen. Gleich darauf stand er jedoch schon wieder
auf und schüttelte den Kopf.
Wachsam beäugten die beiden Männer einander. Der glühende Polizist
war zweifellos der Stärkere und dem Akademiker an Körperkraft weit überlegen,
doch Newbury hatte keine Zeit, über die ungleich verteilten Kräfte
nachzudenken. Er stürmte los, überrumpelte den anderen Mann und drosch ihm die
Faust unter das Kinn. Es knackte vernehmlich, und der Gegner taumelte angeschlagen
zurück. Newbury setzte den Angriff fort und versetzte dem Verbrecher einen
harten Schlag in die Nierengegend, um ihn niederzuringen. Unglücklicherweise
zeitigte der zweite Schlag nicht die erwünschte Wirkung. Der glühende Polizist
verlor das Gleichgewicht, taumelte rücklings über das geteerte Dach, schätzte
die Wölbung falsch ein und verlor aufgrund seiner heftigen Ausgleichsbewegungen
endgültig das Gleichgewicht. Wie ein auffliegender Vogel mit den Armen rudernd,
stürzte er über die Dachkante auf das Pflaster hinab. Newbury sprang vor und
versuchte, den fallenden Mann aufzuhalten, erwischte aber nur noch den Kragen
der gestohlenen Polizeiuniform, bevor der Verbrecher endgültig verschwand und
mit einem üblen Knirschen auf den Boden prallte.
Newbury atmete tief durch und beugte sich über die Dachkante des
schnell fahrenden Zuges, um zu erkunden, was mit dem glühenden Polizisten
geschehen war. Gleich darauf musste er den Blick abwenden. Der Mann war auf dem
Hinterkopf gelandet, und der Schädel war auf dem Kopfsteinpflaster aufgeplatzt
wie ein rohes Ei. Der Körper war nur noch ein wirrer Haufen von Gliedern, der
Hals offensichtlich gebrochen, zähes Blut strömte aus dem geborstenen Schädel
auf die Steine.
Fluchend, weil ihm schon wieder eine wichtige Spur entglitten war,
lieà sich Newbury auf das Dach fallen. Es tat ihm keineswegs leid, dass der
Mann, der als glühender Polizist aufgetreten war, den Tod gefunden hatte.
Soweit es Newbury betraf, so hatte der Schurke genau das bekommen, was er
verdiente. Als er aber blutend und schaudernd auf dem Dach der dahineilenden
Omnibahn lag, musste Newbury frustriert feststellen, dass die ganze Aufregung
zu absolut nichts geführt hatte, wenn man einmal davon absah, dass ein Mörder
gestorben war, der ansonsten vor seinem Tod am Galgen hätte Beweise gegen
Chapman und Villiers liefern können. So konnte der Agent der Königin nur
hoffen, dass die bisher gesammelten Indizien gegen die beiden Industriellen vor
Gericht ausreichen würden.
Mit letzter Kraft kroch Newbury zum Ende des Wagens und machte den
Fahrer und den Wächter, die in einer kleinen Kabine über der eigentlichen
Maschine saÃen, mit Rufen auf sich aufmerksam.
»Fahrer! Es wird höchste Zeit, dass Sie den verdammten Zug anhalten
und mich absteigen lassen.«
Der Mann blickte zu dem grün und blau geprügelten Gesicht hoch, das
sich da über die Dachkante des ersten Wagens geschoben hatte, und stotterte
erschrocken. Der Wächter griff nach seinem Schlagstock.
Newbury seufzte. »Lassen Sie mich herunter, und dann zeige ich Ihnen
meine Papiere, Mann! Ich arbeite im Auftrag der Krone.«
Das reichte dem Fahrer offenbar aus. Er bremste und brachte den Zug
langsam zum Stehen, sehr zur Empörung der Fahrgäste. Newbury kletterte vorsichtig
über die Dachkante hinab in das Führerhaus und gelangte über die Treppe des
Heizers auf die StraÃe. Der Fahrer betrachtete ihn von oben bis unten und
staunte, dass ein Mann, der für die Krone zu arbeiten behauptete, in so
entsetzlichem Zustand auf dem Dach des Neunuhrzwanzigzuges nach Marylebone
herumkroch. Der Wächter stieg aus dem Führerhaus und kam, den Schlagstock in
der Hand, um die Maschine herum. Vor Newbury baute er sich auf. »Sie haben
Papiere, sagen Sie?«
Newbury zog seine Dokumente aus der Innentasche der Jacke und zeigte
sie dem stämmigen Kerl, der die Augen weit aufriss, als er das königliche
Siegel erblickte. Bedächtig nickte er dem Fahrer zu.
Newbury schilderte ihm die Lage. »Passen sie auf. Ich kehre sofort
zu meinen Kollegen zurück. Sie müssen so schnell wie möglich die Polizei
rufen. Da hinten liegt ein toter Mann auf der StraÃe, der wie ein
Polizeiwachtmeister gekleidet ist. Sein
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