Affinity Bridge
breitete Newbury für Veronica noch
einmal seine Theorie aus, die er am Morgen bereits Bainbridge in dessen Büro in
Scotland Yard vorgetragen hatte. Die Assistentin nickte ernst, während sie
alles aufnahm, und Newbury konnte ihr ansehen, dass sie es für schrecklich
einleuchtend hielt, sobald er alle bekanten Fakten zusammengefasst hatte.
»Im Grunde sagen Sie damit, Chapman und Villiers hätten die Morde
des glühenden Polizisten organisiert, um an menschliche Gehirne für ihre
Automaten zu gelangen?«
Newbury nickte.
»Und Sie glauben weiterhin, einige Automaten hätten versagt â und
dadurch unter anderem den Absturz des Luftschiffs verursacht â, weil eine Reihe
dieser Organe bereits mit der Wiedergängerseuche infiziert waren?«
»Das trifft es recht genau, meine Liebe. Natürlich hätte uns ein
Verhör des Mannes, der als glühender Polizist aufgetreten ist, sehr geholfen,
die Verbindung auch nachzuweisen, doch die Indizien sind alle vorhanden: die
menschlichen Organe in den Automaten, die mich angegriffen haben, das blaue
Pulver an der Kehle und dem Kragen des ermordeten Christopher Morgan, der zuvor
gedroht hatte, Chapman und Villiers bloÃzustellen, und schlieÃlich der glühende
Polizist, der Ihnen heute Morgen zugesetzt hat. Es passt perfekt zusammen. Wenn
wir die früheren Opfer des glühenden Polizisten exhumieren lassen, könnten wir
vermutlich sehr rasch feststellen, dass ihnen die Gehirne entnommen wurden. Die
Tatsache, dass die Organe alle aus Whitechapel stammen, wo die Seuche
grassiert, und die achttägige Inkubationszeit des Virus passen dazu, dass die
Symptome erst mehrere Tage nach dem Verkauf der Automaten aufgetreten sind.«
Newbury lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und trank einen
Schluck Earl Grey.
Veronica schüttelte den Kopf. »Es ist alles in ihren Köpfen! Ha!
Darauf hätte ich schon früher kommen müssen.« Sie seufzte. »Es spielt sich
alles in den Köpfen der Automaten ab.«
Newbury runzelte die Stirn. »Wie war das, Miss Hobbes?«
Sie erwiderte seinen Blick. »Oh, nichts weiter. Darüber können wir
später noch sprechen, es hat mit dem Fall nichts zu tun.« Sie klatschte in die
Hände. »Was werden wir jetzt unternehmen?«, fragte sie Bainbridge.
»Wir knöpfen uns schleunigst Chapman und Villiers vor. Wie Newbury
bereits angedeutet hat, werden die beiden wohl das Weite suchen, sobald sie
Wind davon bekommen, dass ihre Mordanschläge heute Morgen gescheitert sind. Wir
müssen sie vorher schnappen, sofern es nicht schon zu spät ist.«
Newbury schüttelte den Kopf. »Nein, da ist einer überheblicher als
der andere. Chapman glaubt vermutlich, er könnte uns in unserem eigenen Spiel
schlagen, und Villiers ist es so oder so egal. Ich glaube nicht, dass sie sich
absetzen. Wenn wir Glück haben, spielen sie uns sogar in die Hände.«
»Und liefern sich geradewegs dem Henker aus, wenn ich ein Wörtchen
mitzureden habe.« Bainbridge wippte mit dem Fuà auf dem Teppich und hustete
laut. »Wollen wir uns also beeilen?«
Veronica stand auf, Newbury folgte ihrem Beispiel. »Dürfte ich Ihr
Bad benutzen, bevor wir aufbrechen, Miss Hobbes? Ich würde gern ein wenig Blut
und Schmutz abwaschen, ehe wir quer durch die Stadt fahren.«
»Aber natürlich«, willigte Veronica lächelnd ein. »Ich zeige Ihnen
den Weg.« Sie führte ihn hinaus und durch den Flur zu einem kleinen
Badezimmer.
Vor der Tür zögerte Newbury, wandte sich noch einmal an sie und
blickte ihr tief in die Augen. »Vielen Dank, Miss Hobbes. Ich werde Sie nicht
lange aufhalten.« Zum ersten Mal überhaupt bemerkte er die hübschen
Sommersprossen auf ihrem Nasenrücken. »Ich bin sehr froh, dass Sie den Morgen
unbeschadet überstanden haben.«
Veronica lachte leise. »Und ich bin ebenso froh, dass Sie überhaupt
überlebt haben.« Es war kaum mehr als ein Flüstern, als wollte sie vermeiden,
dass Bainbridge den Wortwechsel belauschte. Sie legte ihm eine Hand auf den
Arm. »Als wir Sie beim Knochenflicker gelassen haben, dachte ich ⦠ich
fürchtete, ich würde Sie nie wiedersehen.«
»Ich weiÃ.« Er schnitt eine gequälte Grimasse. »Es tut mir leid,
dass ich Ihnen so viel zumuten musste. Mir wird es aber bald wieder gut gehen.«
Die Assistentin schüttelte den Kopf. »Sie
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