Affinity Bridge
müssen sich nicht
entschuldigen, Sir Maurice. Ich bin Ihnen dankbar, denn Ihr Einsatz gegen die
Wiedergänger hat uns allen das Leben gerettet.« Sie beugte sich vor und küsste
ihn sanft auf die Wange. Ihre Lippen hinterlieÃen einen kühlen, feuchten
Abdruck auf der Haut.
Newbury räusperte sich verlegen. »In diesem Fall, Miss Hobbes, sind
wir vielleicht quitt, was die Verfassung angeht, in der Sie mich neulich in
meinem Arbeitszimmer vorgefunden haben.« Jetzt lächelte er breit. »Wenn Sie
mich jetzt entschuldigen wollen, ich muss mich um meine Verletzungen kümmern.
Ich fürchte, der Anzug ist nicht mehr zu retten, aber ich würde trotzdem gern
so ordentlich wie möglich auftreten.«
Dieses Mal gab Veronica sich keine Mühe, ihre Belustigung zu
verbergen. »Frische Verbände finden Sie im Schränkchen unter dem Waschbecken«,
sagte sie lachend.
Newbury betrat das Bad und schloss hinter sich die Tür. Während er
sich vor dem Spiegel entkleidete, hörte er, wie Veronicas Schritte sich drauÃen
durch den Flur entfernten. Er drehte den Wasserhahn auf und reinigte die
empfindlichen blutenden Wunden. Es war erst kurz nach zehn Uhr am Morgen, und
schon jetzt war klar, dass es ein langer Tag voller Schmerzen werden sollte.
26
Wie ein wässriges, unheildrohendes Auge starrte die Sonne
zwischen den zerklüfteten Lidern der Regenwolken auf die Themse herab, als Newbury,
Veronica und Bainbridge in einer Polizeikarosse über die Chelsea Bridge nach
Battersea fuhren, um Chapman und Villiers in ihrer Fabrik aufzusuchen.
Bainbridge beugte sich immer wieder zum Fenster vor und betrachtete
das gegenüberliegende Ufer, sobald es in Sicht kam. Newbury folgte seinem
Blick. Da drüben war es dunstig, der Nebel und ein feiner Regen legten einen
dichten Schleier über die Landschaft. Kurz nach ihrem Aufbruch aus Veronicas
Wohnung hatte der Regen eingesetzt, und sie hatten sofort beschlossen, mit dem
drauÃen wartenden Fahrzeug vorliebzunehmen. Bainbridge hatte eine Nachricht an
Scotland Yard geschickt und um Unterstützung durch uniformierte Beamte gebeten,
doch es würde noch eine Weile dauern, bis die angeforderten Kräfte zur
Verfügung standen. Newbury wollte so schnell wie möglich zuschlagen, geradewegs
nach Battersea fahren und Chapman und Villiers zur Rede stellen, ehe die beiden
bemerkten, dass ihnen die Polizei auf die Schliche gekommen war.
Jetzt blickte Newbury zu den düsteren Wolken hinauf, die drohend
über den Himmel zogen. Soweit er überhaupt etwas vom Wetter verstand, würde der
Regen sicher noch bis zum Nachmittag anhalten.
Jenseits des Flusses erhoben sich die Lagerhäuser von Chapman und
Villiers als wuchtige Hügel aus rotem Ziegelstein, die sogar zwischen den
Industriebauten, die sie einrahmten, beeindruckend wirkten. Eine Reihe von
Luftschiffen hatte an den Dächern festgemacht. Wind und Niederschlag wehten sie
hin und her. Sie hüpften zwar ein wenig auf und ab, blieben aber dank der
langen Halteseile an Ort und Stelle.
»Ist das nicht beeindruckend, Charles?«
Bainbridge drehte sich mit harter Miene zu seinem Freund um und
nickte. »GröÃer, als ich es mir vorgestellt hätte.«
»In der Tat. Warten Sie, bis Sie drinnen sind. Die Art und Weise,
wie sie neue Luftschiffe bauen, ist wundervoll.« Rasch senkte er den Blick und
bereute seinen Ausbruch von Begeisterung. »Wenn sie sich nur damit
zufriedengegeben hätten, statt zu versuchen, mit ihren Uhrwerksmännern eine Revolution
in Gang zu bringen.« Er schüttelte den Kopf.
»Newbury, solche Menschen sind nie mit dem zufrieden, was sie haben.
Was sie auch behaupten, sie wollen gar nicht die Welt verändern. Ihnen geht es
ausschlieÃlich um Macht. Auch wenn sie sich Philanthropen nennen, in Wahrheit
sind sie ebenso gierig wie wir alle, genauso auf Geld und Anerkennung
versessen. In diesem Fall wahrscheinlich sogar mehr als alle anderen.«
»Sie haben natürlich recht«, antwortete Newbury. »Zumindest, was
Chapman angeht. Ich glaube aber, Villiers ist ein ganz anderer Typ. Meiner
Ansicht nach interessiert er sich überhaupt nicht für Geld und Ruhm. Für ihn
ist seine Arbeit eine persönliche Herausforderung. Er hegt keine groÃartigen
Pläne, die Welt zu verändern, sondern will nur mit seinen grässlichen und
unmoralischen Experimenten in Ruhe gelassen werden.«
Bainbridge seufzte. »Das mag
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