Affinity Bridge
des
verbrannten Luftfahrzeugs war fast unerträglich. Er drehte sich um und half
Veronica beim Aussteigen, dann bot er ihr ein Taschentuch an, mit dem sie sich
das Gesicht bedecken konnte. Sie nahm es dankbar an.
»Was in Gottes Namen ist hier nur passiert?« Gedämpft drang ihre
Stimme durch das kleine Leinentuch, das sie sich vor Mund und Nase presste.
Ihre Augen brannten und tränten im Rauch.
»Luftschiffe gewinnen ihren Auftrieb mittels Beuteln, die mit
Wasserstoff gefüllt sind. Das Gas ist leicht brennbar, und bei einem solchen Unglück
â¦Â« Er schüttelte den Kopf. »Nun ja, Sie sehen das Ergebnis. Ich habe einmal
etwas über mehrere ähnliche Ereignisse gelesen. Das letzte trug sich, glaube
ich, in Bulgarien zu, wo ein Pilot den Haltestrick verfehlte und das Luftschiff
auf den Pfahl setzte. Dabei sind die Gassäcke zerrissen, und das ganze
Luftschiff ging in Flammen auf.«
Veronica machte ein ernstes Gesicht. »Aber all die Passagiere â¦Â« Sie
betrachtete die chaotische Szenerie vor ihnen und wusste nicht recht, was sie
davon halten sollte. SchlieÃlich zog sie sich den Mantel enger um die
Schultern. Eine unbewusste Geste, die ihr Entsetzen angesichts des Wracks und
des Blutbades verriet.
Newbury wollte kein tröstendes Wort einfallen. Er schwieg, sah sich
um und orientierte sich im Gedränge. »Kommen Sie, wir erkundigen uns, ob
Bainbridge schon eingetroffen ist.«
Zusammen gingen sie um die Absperrung herum und suchten den Chief
Inspector. Newbury hielt Veronica am Arm fest, als sie sich durch die
Einheimischen drängten, die sich in Menschentrauben gesammelt hatten, um einen
Blick auf das abgestürzte Luftschiff zu erhaschen. Newbury konnte es ihnen
nicht einmal vorwerfen, denn viele mussten das Gefühl haben, nur knapp dem Tode
entronnen zu sein, da sich in unmittelbarer Nähe ihrer Häuser eine so gewaltige
Explosion ereignet hatte. Das Luftschiff hätte ebenso gut auf einer StraÃe
voller Reihenhäuser niedergehen können statt im Park, wo kaum Schäden
entstanden waren. Für andere war es lediglich eine einmalige Gelegenheit, ein
Ereignis zu begaffen, von dem sie sonst höchstens in der Zeitung lasen, ein
sensationelles Spektakel, über welches sie noch ihren Enkelkindern erzählen
konnten. Wenn man es ganz nüchtern betrachtete, lag die ganze Bandbreite
menschlicher Geschichte und der zugehörigen Tragödien vor den Ermittlern ausgebreitet.
Sie gingen weiter und drängten sich durch die Gaffer, um endlich
jemanden zu finden, der etwas zu sagen hatte. Gleich darauf entdeckten sie
einige höhere Beamte.
Die Polizei hatte hinter dem Absturzort in der Nähe der Absperrung
in einem Orchesterpavillon ein provisorisches Hauptquartier eingerichtet. Immer
noch trieben dunkle Rauchfahnen durch die Luft, und hier war der Gestank, der
von dem Wrack ausging, sogar noch schlimmer als bei ihrer Ankunft. Newbury
wollte lieber nicht darüber nachdenken, was diesen diabolischen Geruch
verursachte. Er ging zur Absperrung und machte sich bei den Polizisten
bemerkbar.
»Hallo? Könnten Sie mir bitte mal helfen?«
Zwei Männer, die Anzüge trugen und in ein Gespräch vertieft waren,
drehten sich zu den Neuankömmlingen um. Einer gab einem uniformierten Beamten
mit einer knappen Geste eine Anweisung, worauf dieser zu Newbury und Veronica
herüberkam.
»Ja?«
»Ich suche Sir Charles Bainbridge. Könnten Sie mir sagen, ob er
schon eingetroffen ist?«
»Nein, Sir, meines Wissens ist er noch nicht da.« Der Beamte wirkte
gereizt, als wollte er möglichst schnell auf seinen Posten zurückkehren.
»Ah, na schön. Gibt es denn sonst jemanden, mit dem ich reden
könnte?« Newbury zog seinen Auftrag aus der Jackentasche und zeigte dem Wachtmeister
das Dokument. Das Monogramm der Königin Victoria war nicht zu übersehen. »Ich
bin Sir Maurice Newbury und handle im Auftrag der Krone.«
Der Wachtmeister starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
»Selbstverständlich, Sir. Wenn Sie mir bitte folgen wollen?« Der Beamte hob die
Absperrleine, unter der sich Newbury und Veronica hindurchbückten. Als Veronica
sich dahinter aufgerichtet hatte, blieb sie einen Moment stehen, um den Hut
zurechtzurücken. Newbury nahm an, dass sie sich mit irgendetwas Alltäglichem
beschäftigen und nicht mehr an das Grauen denken wollte, das jenseits des Orchesterpavillons
auf sie
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