Affinity Bridge

Toten finden. Es gibt nicht einmal Hinweise darauf, dass
sich überhaupt ein Pilot an Bord befunden hat.«
    Stokes erbleichte wie ein Gespenst. »Der, äh, der Pilot ist
abgängig.«
    Â»Abgängig? Wie kann ein Pilot einfach verschwinden? Ist er vor dem
Absturz abgesprungen?«
    Â»Nein, Sir Maurice. Wenn ich erklären dürfte …«
    Â»Hören Sie zu, Mann, ich bin nicht in der Stimmung, mir Ihre
lächerlichen Ausflüchte anzuhören! Können Sie mir jetzt die Frage beantworten
oder nicht?«
    Beschwichtigend legte Veronica dem Agenten eine Hand auf den Arm.
Stokes seufzte vernehmlich. »Nein, es ist unmöglich, dass der Pilot dieses
Luftschiffs vor dem Absturz abgesprungen ist.«
    Â»Und warum ist es unmöglich, Mister Stokes?«, fragte Veronica, die
beschlossen hatte, einzuschreiten und die Anwesenden zu beruhigen, ehe die
Sache außer Kontrolle geriet.
    Â»Weil es kein ›Er‹ war. Eher schon ein ›Es‹.« Stokes rieb sich
entnervt mit beiden Händen über das Gesicht. »Der Pilot der Lady
Armitage war ein automatisches Uhrwerk, das Mister Villiers persönlich
entworfen hat. Es sind bemerkenswerte Geräte, die viele einfache und sogar
komplexere Funktionen übernehmen können. Sie sind allerdings nicht darauf
programmiert, im Notfall ihren Posten zu verlassen. Dazu sind sie einfach
nicht fähig.«
    Newbury konnte es nicht glauben. »Ein Automat hat das Luftschiff
gelenkt? Warum sagen Sie uns das jetzt erst? Da haben wir doch die
wahrscheinlichste Ursache des Unglücks, Mister Stokes! Der Apparat hat
versagt.«
    Stokes schüttelte energisch den Kopf. »O nein, Sir Maurice. Das ist
schlicht und ergreifend unmöglich. Die Automaten lenken die Luftschiffe
inzwischen schon seit sechs Monaten, und die Zuverlässigkeit hat sich in dieser
Periode dramatisch verbessert. Wir haben alle Papiere dazu im Büro. Sir, ich
kann Ihnen versichern, dass unser Gerät unter keinen Umständen versagt hat. Es
ist physikalisch ausgeschlossen.«
    Â»Wo ist der Apparat denn jetzt, Mister Stokes?«, fragte Veronica
liebenswürdig lächelnd.
    Stokes räusperte sich. Anscheinend war er mehr als unglücklich über
die Wendung, die das Gespräch nun genommen hatte. »Ich fürchte, ich habe keine
Ahnung. In meinem Bericht wird stehen, dass das Gerät bei der Explosion
zerstört wurde. Aber nun …« Er wedelte mit einer Ladeliste. »Ich muss mich
jetzt wirklich sputen. Die Polizei will bis heute Abend eine vollständige
Passagierliste haben.«
    Â»Selbstverständlich. Bitte entschuldigen Sie, dass wir Sie
aufgehalten haben.« Veronica akzeptierte Newburys angebotenen Arm und hakte
sich bei ihm ein. Als sie sich ein paar Schritte entfernt hatten, blieb sie
stehen und drehte sich um, als sei ihr noch etwas eingefallen. »Oh, Mister
Stokes – eine letzte Frage, bevor Sie gehen.«
    Â»Ja?«
    Â»Könnten Sie mir erklären, warum alle Passagiere an den Füßen
Seilschlingen trugen und an die Sitze gefesselt waren?«
    Stokes machte ein Gesicht, als würde er gerade erwürgt. »Das ist
lediglich eine Sicherheitsmaßnahme, Miss Hobbes. Im Notfall müssen alle
Passagiere den linken Fuß in die Halteschlaufe unter dem Vordersitz stecken. So
stürzen die Insassen nicht durch die ganze Kabine, wenn der Pilot in der Luft
auf gefährliche Turbulenzen stößt.«
    Veronica nickte. »Danke, Mister Stokes. Sie haben uns sehr
geholfen.«
    Sie und Newbury blickten dem kleinen Mann nach, der sich eilig
entfernte und offenbar möglichst schnell aus der Reichweite der allzu
wissbegierigen Akademiker entschwinden wollte. Es dämmerte schon, die Sonne
stand tief über der Stadt. Allmählich zerstreute sich auch der Auflauf der
Schaulustigen am Rand des Parks.
    Â»Ihnen ist natürlich klar, dass ein Apparat aus Messing bei einem
solchen Brand auf keinen Fall zerstört worden wäre? Zumal ja sogar die meisten
menschlichen Leichen noch weitgehend erhalten sind.« Newbury wirkte jetzt eher
nachdenklich als erzürnt.
    Veronica nickte. »Ja, das dachte ich mir auch schon.«
    Â»Allmählich gelange ich zu der Überzeugung, dass der Verdacht Ihrer
Majestät nicht unbegründet ist. Hier liegt eindeutig etwas im Argen, und ich
möchte wetten, dass es seine Wurzeln in den Büros des Luftfahrtunternehmens
Chapman und Villiers hat.« Er seufzte und