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Affinity Bridge

Affinity Bridge

Titel: Affinity Bridge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Mann
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blinzelte vor Müdigkeit. »Ich glaube
aber, es wird so langsam Zeit, mich in mein Heim zurückzuziehen. Darf ich Sie
unterwegs zu Hause absetzen, Miss Hobbes?«
    Auch sie war sichtlich erschöpft und nickte dankbar. »Bitte tun Sie
das, Sir Maurice.«
    Er hielt für sie das Absperrseil hoch, damit sie den Absturzort
verlassen und sich eine freie Droschke suchen konnten.
    Es war ein stiller und kalter Abend, als Newbury, nur mit
einem schlichten Hausmantel bekleidet, vor dem tosenden Feuer im Kamin seines Arbeitszimmers
Platz nahm. Ein geöffnetes Buch lag auf seinem Schoß: Trelawnys Geschichte der esoterischen Gesellschaften im siebzehnten
Jahrhundert . Es war einer der vielen alten, in Leder gebundenen Wälzer,
die in den Bücherregalen zu finden waren. An anderen Stellen waren bizarre
Objekte untergebracht: Phiolen mit chemischen Verbindungen, Gläser mit biologischen
Proben, ein Pentagramm aus vierundzwanzigkarätigem Gold, ein ausgebleichter
Schimpansenschädel und viele andere Dinge. An einer Wand waren in ordentlichen
Stapeln Dokumente aufgeschichtet, darunter unzählige Fallnotizen, alte
akademische Papiere, Zeitungsausschnitte und Informationsmaterial, das er in
vielen Stunden zusammengetragen hatte. Das Arbeitszimmer war sein privater
Zufluchtsort, hier waren die wichtigsten Zutaten seines Lebens verstaut. Es war
der Ort, an dem er sich am besten entspannen konnte, hier fühlte er sich frei
und konnte ganz er selbst sein, und hier gelangte er zu seinen bedeutendsten
Schlussfolgerungen. Im Laufe der Zeit war das Arbeitszimmer sogar zu einem Ort
der Offenbarungen geworden.
    Er lehnte sich im Sessel zurück und blätterte die Buchseiten durch.
    Mrs. Bradshaw hatte sich zurückgezogen, nachdem sie ihm ein Bad
eingelassen und ihn wegen des Zustands seiner Kleidung wortreich ausgeschimpft
hatte. Er lächelte. Aus gutem Grund hatte er ihr streng untersagt, das Arbeitszimmer
zu betreten. Falls sie jemals einen Blick riskieren sollte – namentlich auf die
Unordnung, die hier herrschte –, würde sie vermutlich auf der Stelle den Dienst
quittieren. Nicht nur das, viele seiner Akten enthielten zudem vertrauliche Hinweise,
die vor unbefugten Augen verborgen bleiben mussten. Er hatte keinen Grund, an
Mrs. Bradshaws Integrität zu zweifeln, nahm aber an, dass der Inhalt seiner
Akten zehnfach ausreichen würde, um die Monarchie in Misskredit zu bringen, und
fürchtete die Vorstellung, was dies selbst bei den loyalsten Untertanen
anrichten mochte. Aus diesem Grund blieb die Tür des Raumes stets verschlossen,
selbst wenn er sich darin aufhielt. Einmal oder zweimal hatte er Bainbridge
hereingebeten, dem er unbedingt vertraute, und seit den Ereignissen des vergangenen
Sommers – sie hatten einen Irren gejagt, der darauf aus gewesen war, London mit
einer altägyptischen Seuche zu infizieren –, wusste er, dass der Beamte
durchaus Geschmack an bizarren Dingen fand.
    Heute Abend war Newbury jedoch dankbar für die Einsamkeit. Eine
Weile beobachtete er den Tanz der Flammen und dachte immer wieder an die
zerstörten, gequälten Gesichter der Toten im Wrack, die er am Nachmittag
gesehen hatte. Veronica hatte der Anblick stark mitgenommen, aber er musste
der Ehrlichkeit halber zugeben, dass es auch ihm selbst nicht eben gut ergangen
war. Natürlich hatte er im Laufe seines Lebens unzählige Leichen gesehen, doch
dieser Fall hatte eine neue Größenordnung erreicht. Noch nie war er auf eine so
entsetzliche Szene gestoßen.
    Er nahm eine kleine braune Flasche aus dem Regal hinter seinem Kopf.
Das Etikett schälte sich ab, doch er wusste genau, was sie enthielt. Er
schraubte den Deckel ab und goss ein wenig in ein halb volles Glas Claret, das
neben seinem Sessel auf dem Beistelltisch stand. Das Laudanum würde ihm beim
Einschlafen helfen. Das sagte er sich jedenfalls, als er das Glas an die
Lippen hob und einen großen Schluck trank. Am nächsten Morgen würde er sich mit
Veronica im Büro treffen, dann wollten sie in Battersea die Fabrik von Chapman
und Villiers besuchen. Dort hoffte er mehr über den geheimnisvollen Apparat und
dessen Schöpfer Mr. Pierre Villiers zu erfahren. Der gebürtige Franzose lebte
im Exil, weil man ihn – wie Newbury gelesen hatte – vor mehr als einem
Jahrzehnt beschuldigt hatte, in seinem Pariser Labor mit Vagabunden
experimentiert zu haben. An diesem Abend, so hoffte Newbury, würde

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