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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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Brisanz klar sein würde und dass wir deshalb viel Ausdauer und Geduld benötigen würden. Dass es so lange dauern würde, hatten wir anfangs jedoch nicht gedacht. Erst nach etwa einem Jahr hatten wir den Namen des Fotographen herausgefunden: Leutnant Ron Rutten. Etwa zur gleichen Zeit kamen wir ins Gespräch mit General außer Dienst Hans Couzy, der 1995 oberster Befehlshaber der niederländischen Landstreitkräfte war. Er erzählte uns, dass er persönlich gesehen hatte, dass der militärische Nachrichtendienst bereits bei der Ankunft der Dutchbatler in Zagreb versucht hatte, den Film in die Hände zu bekommen. Das war ein Schritt voran. Aber dabei blieb es vorerst.
    Nach vielen ergebnislosen Versuchen, bekamen wir dann im Frühjahr 1998 von einem Insider, einem hochrangigen Offizier, neue Details. Entscheidend dabei war, dass er uns erzählte, was genau auf dem Film zu sehen war. Bis dahin hatten wir nur gehört, es seien die Leichen muslimischer Opfer gefilmt worden. Doch nun bekamen wir zu hören, dass auf den Fotos auch Dutchbat-Soldaten zu sehen waren. Dutchbat-Soldaten, die aktiv mithalfen bei der Deportation der Frauen und Kinder aus Srebrenica. Mit dieser Information war uns klar, dass es ein Motiv gegeben hatte, den Film verschwinden zu lassen. Unser Informant sagte uns, die Militärführung und die Spitze des Verteidigungsministerium hätten damals Angst gehabt, die Fotos könnten in die Presse, möglicherweise sogar in der Weltpresse, gelangen und das Ansehen der niederländischen Streitkräfte noch mehr beschädigen als schon geschehen war.
    Das klang plausibel. Die Bilder von feiernden, tanzenden, Bier trinkenden Dutchbat-Soldaten in Zagreb, unmittelbar nach ihrem Abzug aus Srebrenica, gingen um die Welt. Und das Foto auf dem Dutchbat-Kommandeur Oberstleutnant Tom Karremans sein Glas hebt mit dem Serben-General Mladic, taucht sogar heute noch hin und wieder in der Weltpresse auf - wie vor ein paar Monaten im Spiegel. Dabei sind die Bild-Unterschriften und die dazugehörigen Verurteilungen schnell geschrieben, und es werden die extremen Umstände, unter denen sich diese Szenen abspielten, meist weitgehend ausgeklammert. Zur Erinnerung:
    Dutchbat war monatelang in Srebrenica eingeschlossen, zunehmend abgeschlossen von der Versorgung mit Munition, Benzin und Lebensmitteln.
    Die 450 niederländischen Soldaten waren den angreifenden serbischen Truppen sowohl quantitativ wie qualitativ hoffnungslos unterlegen.
    Blauhelme wurden als lebende Geiseln festgekettet an Objekte, die möglicherweise von NATO-Flugzeugen hätten bombardiert werden können.
    Auch die bedrohten Muslime in der Enklave verhielten sich unter den gegebenen Umständen nicht gerade freundlich den niederländischen Soldaten gegenüber. Einer der Dutchbatler, Raviv van Rensen, wurde am 8. Juli 1995 von einer von muslimischen (!) Kämpfern geworfenen Handgranate getötet. Die Muslime wollten verhindern, dass die Dutchbat-Soldaten sich gegenüber den vorrückenden Serben aus einer Stellung zurückziehen würden.
    Auf dem Dutchbat-Gelände in Potocari saßen im Juli 1995 zigtausende Flüchtlinge in panischer Angst zusammengepfercht. Darunter viele Kinder, Frauen, Alte und Kranke – ohne medizinische Versorgung und Lebensmittel. Dabei rückten die bosnischen Serben immer näher.
    Die mehrfachen Anfragen von Luftunterstützung durch den Dutchbat-Kommandeur Karremans hatten sich in der UNO-Bürokratie in Luft aufgelöst.
    (!) Auch nicht verschwiegen werden sollte, dass muslimische Kämpfer aus der Enklave heraus Raubzüge in den umringenden serbischen Dörfern gehalten hatten. Auch dabei hatte es Massenmorde und Vergewaltigungen gegeben.
    Das macht die Worte von Oberstleutnant Karremans bei einer Pressekonferenz, in Srebrenica habe es keinen eindeutigen Unterschied zwischen ‘Good Guys’ und ‘Bad Guys’ gegeben, nicht weniger unglücklich aber begreiflich. All die hier oben genannten Umstände sollte man vor Augen haben, bevor man ein Urteil darüber abgibt, dass ein paar der Dutchbatler, nachdem sie heil aus der Hölle von Srebrenica raus waren, in Zagreb erstmal Dampf ablassen mussten. Viele der Dutchbatler hatten damals allerdings gar keinen Bock auf Feiern und Bier. Bilder davon gelangten natürlich nicht in die Weltpresse.
    Auch wissen sollte man, dass mindestens jeder fünfte der 450 Dutchbatler später ernsthafte psychische Probleme bekommen hat. Manche landeten in Alkohol- und Drogensucht oder in der Kriminalität. Und bei einigen war

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