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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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seinen mit Spannung erwarteten Bericht am 10. April 2002 vorlegte, atmete der damalige Premierminister Kok zunächst erleichtert auf. Das NIOD hatte nämlich relativ milde über das Versagen von Dutchbat geurteilt. Jedoch entstand in den darauffolgenden Tagen innerhalb der Regierung eine heftige Diskussion über die Frage, inwiefern die Niederlande mitverantwortlich war für das Srebrenica-Drama, und auch über die Qualität der NIOD-Studie.
    Sechs Tage später, am 16. April 2002 trat dann die gesamte niederländische Regierung zurück, nachdem zuvor sowohl der liberale Verteidigungsminister De Grave als auch der sozialdemokratische Umweltminister Pronk angedeutet hatten, sie wollten zurücktreten. In der Weltpresse wurde die niederländische Regierung hierfür gelobt. Jedoch möchte ich als niederländischer Bürger dazu anmerken, dass die Tage der Regierung sowieso gezählt waren, weil ein paar Monate später Wahlen anstanden. Außerdem ist es in gewisser Weise kurios, dass nun, fast sieben Jahre nach dem Srebrenica-Drama die gesamte Regierung zurücktrat, während 1995, nachdem das Ausmaß des Massakers und auch des Versagens klar war, noch nicht einmal der damalige Verteidigungsminister Joris Voorhoeve den Hut nahm.
    4. „Wiederherstellung des Misstrauens“
    Bei einem Thema, das bereits so intensiv untersucht wird, von Regierungen und Instanzen wie der UNO beauftragt, mit einem großen Aufwand an Arbeitskraft und Mitteln, bleibt für die Recherche von Journalisten nicht viel Spielraum. Das haben viele unserer Kollegen damals gedacht und zugegebenermaßen manchmal auch wir selbst. Wir haben es dennoch gemacht, was uns diverse Male an den Rand der Verzweiflung brachte.
    Eine zutreffende Antwort auf die Frage, warum wir recherchiert haben, gab es in einer Kolumne in der tonangebenden Tageszeitung ‘NRC Handelsblad’ im Juni 2001. Die Autorin Elsbeth Etty schrieb damals, die Recherchen von Argos sowie der Fernsehsendung NOVA zum mysteriösen Verschwinden eines Srebrenica-Films beim militärischen Nachrichtendienst MID hätten gezeigt, dass eine „Wiederherstellung des Misstrauens“ notwendig sei. „Wiederherstellung des Misstrauens“ lautete auch der Titel der Kolumne. In provozierenden Worten schrieb die Autorin Etty, die heute auch Professor an der Freien Universität Amsterdam ist: „Argwohn, Unglaube und Skepsis brauchen wir. Der amerikanische Journalist I.F. Stone sagte, dass ‘jede Regierung aus Lügnern besteht. Nichts was sie sagen, dürfen wir glauben’. Er hatte Recht. Wir sind viel zu gutgläubig.“
    Anlass für diese bösartigen Worte war eine Argos-Sendung, in der wir aufgezeigt hatten, dass eine von der Regierung im Sommer 1998 beauftragte Untersuchungskommission, die ‘Kommission Van Kemenade’, trotz der weit über 1.000 Seiten, die sie produziert hatte, keineswegs eine überzeugende Arbeit auf den Tisch gelegt hatte. Im Widerspruch zur Schlussfolgerung von van Kemenade war mit seiner Untersuchung keineswegs bewiesen, dass es nach dem Fall von Srebrenica keine bewusste Vertuschung seitens des niederländischen Verteidigungsministeriums gegeben hatte . „Argos hat überzeugend dargelegt, dass die ‘Kommission Van Kemenade’ selbst Teil der Vertuschungsoperation war.“ So ein Zitat aus der Kolumne der Publizistin Etty. Und ein weiterer Satz aus ihrer NRC-Kolumne: „Van Kemenade ist – dank dem journalistischem Misstrauen von ARGOS und NOVA – völlig unglaubwürdig geworden.“
    5. Ein verschwundener Film als Symbol der Vertuschung
    Worum ging es konkret? Bereits im Sommer 1995, unmittelbar nach dem Fall der muslimischen Enklave, tauchten in der Presse vage Berichte auf, ein von einem Dutchbat-Offizier in Srebrenica gemachter Film mit Fotos sei durch einen menschlichen Fehler bei der Entwicklung in einem Fotolabor des niederländischen Nachrichtendienstes MID vernichtet worden. Diese Berichte machten uns stutzig. Wir suchten das Gespräch mit ehemaligen Dutchbatlern und stießen auf das Gerücht, der Macher des Films gehe davon aus, sein Film sei bewusst vernichtet worden oder in einem Geheimtresor gelandet. Allerdings blieb lange unklar, wie das geschehen sein könnte und was genau auf dem Film zu sehen war. Sogar den Namen des Machers bekamen wir trotz intensiver Suche zunächst nicht heraus.
    Unser Instinkt sagte uns, dass hinter diesem Film eine große Geschichte steckte. Uns war aber auch klar, dass es ein höchst sensibles Thema war, dass wohl auch allen Beteiligten die

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