Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)
Srebrenica. Das was wir anschließend zu diesem Thema zu hören bekamen, war äußerst geheim und wir mussten schwören, unsere Quelle unter allen Umständen zu schützen. Am Telefon, per Email oder Post konnten wir das Gespräch mit unserem Tippgeber deshalb auch auf keinen Fall fortsetzen.
Wir haben erst einmal genau aufgeschrieben und korrigieren lassen, was uns erzählt worden war. Allein zum Korrigieren des bereits Gesagten mussten wir erneut auf Reisen gehen. Anschließend haben wir eine Liste erstellt mit Leuten in verschiedenen Ländern, die von der Diskussion über die dänischen Panzer wissen mussten. Das Suchen der Namen und Telefonnummern kostete viel Zeit. Gleichzeitig fingen wir an, diese Liste abzuarbeiten und die Leute anzurufen. Dutzende waren es. Aber ohne jeglichen Erfolg. Niemand wusste etwas bzw. konnte sich erinnern. Ein paar unserer Gesprächspartner versuchten, uns davon zu überzeugen, den Plan, die dänischen Panzer nach Srebrenica zu bringen, könne es gar nicht gegeben haben, da dies unter den damaligen Umständen ein wahnwitziges Unterfangen gewesen wäre. Wir begannen nun selbst zu zweifeln. Selbstverständlich hatten wir überprüft, dass unser Tippgeber im Frühjahr 1995 tatsächlich als Offizier im DPKO gearbeitet hatte, und wir waren auch nach wie vor davon überzeugt, dass er eine ernstzunehmende Quelle war. Aber wenn so viele Leute sagen: Blödsinn…?
Trotz der zunehmenden Unsicherheit entschieden wir uns, nach Kopenhagen zu fahren und dort Interviews zu machen mit dem damaligen dänischen Verteidigungsminister Hans Haekkerup und mit Oberst Lars Möller, der Kommandeur des dänischen Kontingents in Tuzla gewesen war. Möller hatte im April 1994 den Befehl gegeben, die Panzer einzusetzen, als die dänischen Blauhelme beschossen wurden. Oberst Möller schilderte uns detailliert das stundenlange Gefecht, dass er sich damals mit seinen serbischen Belagerern geliefert hatte. Für sein entschlossenes Auftreten hatte er damals Beifall von hochrangigen UNO-Militärs bekommen. Erst viel später erfuhr Möller, dass bei dem Gefecht 150 Serben ums Leben gekommen waren, nach dem einer der dänischen Panzer ein serbisches Munitionslager getroffen hatte.
Bei den Interviewanfragen mit Oberst Möller und Ex-Minister Haekkerup hatten wir die UNO-Diskussion, die dänischen Panzer nach Srebrenica zu schicken, bewusst nicht erwähnt. Es schien uns – angesichts der Dutzende von Dementis, die wir bereits bekommen hatten – aussichtsreicher, wenn wir unsere Interviewpartner mit den Informationen, die wir hatten, überraschen würden. Es waren gute Interviews, mit vielen interessanten neuen Details. Aber an eine UNO-Diskussion, die dänischen Panzer nach Srebrenica zu schicken, konnten auch diese beide Herren sich in keinster Weise erinnern – jedenfalls damals noch nicht, das heißt in den ersten Frühlingstagen von 2002. Wir standen kurz davor aufzugeben, zumal wir wussten, dass das NIOD am 10. April seine Studie vorlegen würde und wir unsere Geschichte unbedingt vorher senden wollten.
Am 2. April gelang es uns endlich, nach vielen vergeblichen Versuchen, ein Hintergrundgespräch mit dem ehemaligen Bundeswehrgeneral Manfred Eisele zu bekommen. Eisele war im Frühjahr 1995 einer der Chefs im DPKO in New York und sogar Assistant Secretary General der UNO gewesen, also einer der höchsten Funktionäre der UNO. Zu unserer Überraschung bestätigte Eisele uns fast einschränkungslos die Geschichte über die UNO-internen Diskussionen über die Verlegung der dänischen Panzer drei Monate vor dem Fall von Srebrenica. Nur an ein Gespräch zwischen Madeleine Albright mit Kofi Annan, bei dem die amerikanische UNO-Botschafterin es ablehnte, Luftunterstützung zu bieten bei der Überbringung der dänischen Panzer nach Srebrenica, konnte Eisele sich nicht erinnern. Dafür erzählte er uns, dass er damals persönlich mit französischen und britischen Diplomaten über das Vorhaben gesprochen hatte. Nach einigem Zögern stimmte Eisele sogar einem Interview auf Band zu. Das Interview machten wir am 3. April. Zwei Tage später haben wir die ganze Geschichte gesendet. UNO-Generalsekretär Kofi Annan hatte unsere Interviewanfrage abgelehnt und wollte keinerlei Kommentar geben. Die Sendung bekam nicht nur in den niederländischen Medien, sondern auch in einigen deutschsprachigen Zeitungen und Nachrichtensendungen ein Echo – in Deutschland selbst und in der Schweiz.
In unserer Sendung sagte Eisele unter anderem,
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