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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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Steinhäuser mit sich nach hinten anschließendem Lagerraum. Dahinter lagen versteckt Höfe mit Gärten und Brunnen. Zur Straße hin waren die Geschäfte durch hölzerne Verschlussläden gesichert, die mit einer Stange geöffnet und an einem Haken befestigt wurden.
    Quer über eine hellgrün getünchte Fassade zog sich in dunkelgrüner Schrift die Firmenbezeichnung des Elektronikfachmanns Raif Pozderac. Darunter stand in Englisch und Deutsch: „Wir liefern unserer geschätzten Kundschaft Computer-Ersatzteile und Zubehör aller gängigen Markengeräte für PC, TV und Hi-Fi. Wir sind spezialisiert auf Ü-Technik, Sat-Anlagen und Kameras sämtlicher Typen sowie Reparaturen aller Art. Das hiesige Extremklima mit Kälte und Hitze erfordert eine ständige fachmännische Wartung der hochempfindlichen High-Tech. Von Raif gepflegte Geräte – stets zuverlässig.“
    Raif verbeugte sich tief, als Anica eintrat. Grüßend legte sie die Filmkamera auf den Tisch. „Dobar dan, Gospodine. Sie haben eine Platine erneuert“, sagte sie. „Seit heute Vormittag tut die Kamera es nicht mehr. Ich habe die Funktionsfähigkeit überprüft. Der Bandlauf arbeitet nicht korrekt.“
    „Dobro dosli, Gospodjice“, entgegnete Raif, „herzlich willkommen!“ Er nahm den Apparat, schraubte den Gehäusedeckel ab. „Sie haben wohl die Prüfung bei geschlossener Klappe vorgenommen, ja?“
    „Ich habe mir erlaubt, das Gehäuse zu öffnen.“
    „Aha“, sagte er. „Daher der Name Bogumilengrab. Pardon, eine Redensart. Sehen Sie, die Elektronik steuert sich in bestimmten Funktionen mit Hilfe einer Lichtschranke. Bei geöffnetem Gerät dringt natürlich Helligkeit ein und setzt den Mechanismus matt.“ Er nahm die Bandkassette heraus. „So, so, da haben wir es schon: Die Hitze, Gospodjice. Am Lesekopf quillt die Plastikschiene, das hemmt die Bandführung. Es ist nicht schwierig zu beheben. Wenn Sie morgen Vormittag wiederkommen...“
    „Geht es nicht schneller?“
    „Sie meinen, es lohnt nicht, morgens einen Apfelbaum zu pflanzen, wenn Sie abends keine Äpfel ernten können.“
    Es war niemand zu sehen außer Raif, trotzdem hielt sich Anica an das einmal vereinbarte Ritual des Gesprächsverlaufs. „Haben Sie das Ersatzteil nicht am Lager?“
    „Nicht markenidentisch.“
    „Macht nichts. Wenn es nur passt.“
    „Möchten Sie darauf warten?“ fragte Raif.
    „Ich habe Zeit“, entgegnete Anica.
    Der Bosnier nahm die Kamera und ging auf die Stiege zu, die ins Obergeschoss führte. „Wenn Sie sich heraufbemühen wollen. Sie können mir zusehen bei der Arbeit, es ist nicht uninteressant und die Zeit vergeht schneller.“ Das Ladentürglöckchen schlug an, da ein Kunde eintrat.
    Oben saß an einem Arbeitstisch mit Werkzeugkästen, Computeraustauschteilen und Kleingeräten wie Lötkolben und Kabelsteckern Raifs Frau Raza mit einer Halbbrille auf der Nase. Sie begrüßte die beiden kurz und trat auf die Treppe zu. „Ich werde solange nach unten gehen“, sagte Raza in fließend-akzentfreiem Deutsch.
    Raif gab Anica die Kamera zurück, die Journalistin händigte dem Bosnier die Kassette mit dem Band aus. „Eine Kopie“, sagte sie, „von dem Vorfall der vergangenen Nacht. Die Aktion nach der Sprengung der Trafo-Station. Sowie noch mal die Bilder von dem vorwinterlichen Massaker, die euch abhanden gekommen sind.“
    „Du bist schnell gewesen“, sagte Raif. Auf seine pausbäckigen Gesichtszüge trat ein kleines Lächeln.
    „Ein Zufall, mehr oder weniger“, sagte sie, „dass ich in der Nähe war wegen der Explosion, gleich als es losging. Ein Toter. Die Leute aus dem Flüchtlingscamp wurden bereits nach Lapovo geschafft. Dafür habe ich keine Bilder von dem Granateinschlag in der Innenstadt gestern.“
    „Wer wohl dahinter steckt? Sicher nicht wieder die Serben. Warum sollten sie den grauenhaften Eindruck, den die Kroaten kürzlich in der Krajina hinterlassen haben, verwischen wollen?“
    „Die Vergeltung wird trotzdem nicht auf sich warten lassen.“
    „Leider“, bestätigte Raif. „Jede Granate, jede Bombe, die jetzt fällt, kehrt einmal als Attentat, als Mord, als Massaker zurück. Jeder Ermordete hinterlässt seinen Rächer. Die Morde von heute sind die Rache für die Morde von gestern, wie die gestrigen Gräuel den vorgestrigen auf dem Fuße folgen.“
    „Das muss aufhören“, sagte Anica. „Irgendwann muss diese Gräuelkette einmal unterbrochen werden.“
    Der Techniker betrachtete die Bilder des einen Bandes, und ihm wurden

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