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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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die Augen feucht. „Ich frage mich immer wieder“, stammelte er mit erstickter Stimme, „warum das so gekommen ist, wie das möglich ist, wie wir das nur zulassen können, dass sie umkommen, dass man sie foltert, vergewaltigt, barfüßig im Schnee erschießt oder ihnen einen Draht um den dünnen Mädchenhals zieht! Wie konnten wir es nur so weit kommen lassen! Ach, ist das furchtbar und beschämend! Immer muss ich daran denken und verspüre ein grimmiges, kaum erträgliches Gefühl männlicher, ja männlicher Scham für das, was diese Mädchen und Frauen erdulden mussten und müssen...“
    „Ja, Raif“, sagte Anica leise, und aus der Art, wie sie es vorbrachte, ließ sie ihn ihren Trost spüren.
    Er wischte sich die Augen aus, schob die andere Kassette in den Rekorder, drückte die Lauftaste. „Mhm“, brummte er mit belegter Stimme bei den ersten Bildern, räusperte sich. „Das entspricht dem Bericht, der uns darüber bereits vorliegt. Sind Namen gefallen?“
    „Leider nicht, weder der des Toten noch der des Hauptmanns.“
    „Schon gut“, sagte der Bosnier lächelnd. „Wir werden sie herausfinden.“ Er drückte die Taste für das Standbild. „Da“, sagte er aufgeregt, seine dunklen Augen funkelten, „der Mörder und sein Opfer. Woran erinnert uns das?“
    „Denkst du an den SS-Sturmbannführer mit seinem KZ-Häftling oder den Offizier in Vietnam, der einen Zivilist erschießt?“
    „Wir sollten an beide denken. Dazu an die Ustascha und die Tschetniks, Väterchen Stalin und Kamerad Franco, Erich und Erich sowie alle Dumpfbacken, die solchen Leuten nachlaufen.“
    „Ob es jemals aufhört?“
    „Ein wenig lässt sich dafür tun“, antwortete er. „Zum Beispiel wenn du mir zwei Abzüge machst von dieser Mordszene.“
    „Schon erledigt“, sagte Anica. „Hier in dem Umschlag. Was machst du damit bloß?“
    „Wir legen ein Archiv an. Manches wird publiziert, wenn wir merken, dass keine Station, kein Blatt etwas bringt von dem, was wir für wichtig erachten um der Wahrheit willen.“
    „Du glaubst doch nicht, dass dieses Tribunal in Den Haag etwas bringt?“
„Sagt dir der Name Robert H. Jackson etwas?“ fragte Raif zurück. „In seiner Rede vor dem Nürnberger Kriegsverbrecherprozess sagte er als damaliger amerikanischer Hauptankläger: `Das Gesetz zur Bestrafung der Kriegsverbrecher wird hier zwar zunächst auf deutsche Aggressoren angewendet. Es schließt aber ein – ein Muss, wenn es von Nutzen sein soll –, den Angriff jeder anderen Nation zu verdammen, nicht ausgenommen die, die jetzt und hier zu Gericht sitzen´.“
    „Sind die USA jemals zur Rechenschaft gezogen worden für die Bombardierungen von China, Korea, Guatemala, Indonesien, Kuba, Belgisch Kongo, Peru, Laos, Vietnam, Kambodscha, Grenada, Libyen, El Salvador, Nicaragua, Panama oder auch das Einwalzen von irakischen Schützengrabensoldaten bei lebendigem Leibe mit Panzern?“
    „Sind etwa die Mörder von Isa oder Jesus, wie ihr Christen ihn nennt, je verurteilt und bestraft worden? Oder vielleicht Gorbatschow, dem so gerne ein Heiligenschein aufgesetzt wird, der freilich erst gegen den Kriegseinsatz, dann jahrelang als Oberbefehlshaber für die Kriegsführung der UdSSR gegen die afghanischen Völker verantwortlich war? Und wer darf sich noch alles mit dem Friedensnobelpreis schmücken außer Begin und Kissinger, die nachweislich an Terroranschlägen beteiligt waren? Doch man muss versuchen, was man kann. Du warst nicht die einzige dort, die Aufnahmen gemacht hat, Anica. Du kannst also unbesorgt sein. Niemand wird erfahren, woher das Material stammt.“
    „So habe ich es bestimmt nicht gemeint“, stellte Anica fest. Und konnte sich nicht versagen, mit einer gewissen Spitze im Tonfall anzumerken: „Ich nehme nicht mal Honorar von dir für meine Arbeit.“
    „Siehst du, Anica, so entstehen Kriegserklärungen. Aber du leistest wirklich gute Arbeit. Zum Beispiel die Winterbilder hier oder dein Zyklus über Bosniens zerstörte Brücken.“ Mit der zweiten Kassette wies er in ausladender Handbewegung auf die Bilderserie an der Wand.
    „Ob sie jemals wieder aufgebaut werden?“
    „Wenn auch alles dafür sprich, dass man sie erneut zerstört, muss man doch immer wieder Brücken bauen. Nichts Besseres kann man tun im Wirrwarr dieser Zeiten.“
    „Sind heute die Menschen nicht gelähmt durch die Einsicht in Hoffnungslosigkeit, die Rückschau auf Trümmer und die bange Ahnung kommender Katastrophen?“
    „In den Herzen der Leute

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