Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)
Lippen, leerte sie zullend und schlürfend zur Hälfte.
„Vitale Interessen der EU, USA, Russland und wer weiß nicht wem stehen hierzulande auf dem Spiel“, sagte sie provozierend. „Deshalb verlangen unsere Präsidenten Opfer von uns.“
„Weiß ich doch“, entgegnete er träge. „Brückenkopf und Verbindungsrücken. Ist mir alles klar. Schließlich höre ich Radio, Gnädigste. Aber ich bleibe dabei: Wenn diese Welt einen Arsch hat, dann ist er hier. Und ich bin dazu da, dafür zu kämpfen, dass er frei bleibt.“ Er warf die geleerte Büchse hinter sich über Bord.
„Ausgekochte Scheiße“, pflichtete sein Kamerad bei. „Wie purzelnde Dominosteine, Aufrechterhaltung des Gleichgewichts des Dingsda durch Abriegelung der ständig angreifenden Dingsbums. Alles Quatsch, Mann, wir sind hier, um Kommunisten zu killen. Punkt.“
„Was sagst du dazu, Schweiger?“ fragte der Steuermann den kleinen Dicken. Der Sniper hob nur leicht die Schultern. „Der hat einen Lenz“, erzählte der Mann am Außenbordmotor. „Hockt normalerweise auf den Bergen rund um Sarajevo wie der Förster vom Silberwald, ich meine Winnetou mit der Silberbüchse, und knallt alles ab, was ihm vor die Flinte läuft.“
„Ein Präzisionsgewehr“, berichtigte das Dickchen verhalten, „hat so viel gekostet wie ein Sportwagen.“
„Wie daheim auf dem Schießstand“, bemerkte der Südafrikaner. „Und im Augenblick ist die Waffenruhe gebrochen, da sieht man kaum ein Schwein auf der Straße.“
„Wenn sich keine Leute auf Sarajevos Straßen zeigen wollen“, fuhr der Steuermann fort, „ballern die Tanks einige Dutzend Granaten ab, um die Menschen in Bewegung und vor die Tür zu bringen.“
„Über hundert Leute auf dem Konto und ein Gehalt wie ein General.“
„In Dollar, versteht sich.“
Der Sniper war vorher Unteroffizier bei der Bundeswehr gewesen, Z-8, und dies war sein erster Job als Scharfschütze. Probier´s halt mal, hatte er nach achtjähriger Dienstzeit und Kassierung der Abfindung gedacht, wenn´s dir nicht zusagt, bist´ schnell wieder zu Haus. Doch wenn dieser Vertrag auslief, würde er sicher einen neuen eingehen, irgendwo auf diesem Planeten. Aber davon schwieg er natürlich seinen Kameraden gegenüber.
„He, Schweiger!“ wandte sich der große Blonde an den dicklichen Deutschen, „kannst du so einem verdammten Serben ins Ohrläppchen schießen?“
Der Angesprochene sah träge auf. „Wozu? Hab´s noch nicht probiert.“
„Aber ich. Bin ein erstklassiger Schütze. Treff jedes verfluchte Ohrläppchen, das ich will. Was glaubst du, was geschieht?“ Er lachte auf. „Mit Spezialmunition, mein ich. Der Kopf, der an dem Ohrläppchen hängt, platzt. Platzt ganz einfach! Paff – und der Schwelles ist nicht mehr da. Wie ein Luftballon. Einfach paff! Hast du schon mal einen Menschen gesehen, dem plötzlich der Kopf fehlt und der dann langsam umfällt? Ohne Kopf?“
Der Schweigsame wog lediglich behäbig sein Haupt.
Anica kannte die entsetzliche Wirkung dieser grauenhaften Waffe, deren Geschosse derart beschaffen sind, dass sie durch vervielfachten Drall eine Art Explosionseffekt verursachen. Selbst Streifschüsse führen beinahe immer zum Tod, die Geschosse zerreißen Sehnen und Muskeln, zerschmettern Knochen und sprengen Blutgefäße ohne Aussicht auf Rettung. Daher versetzte die Journalistin scharf: „Und nun fühlen Sie sich als Held, wie?“
„Na und?“ erwiderte der Blonde. „Was dagegen?“
„Und ob! Den Finger krümmen, das können Sie! Davon abgesehen ist diese Munition international geächtet!“
„Noch was? Jeden Moment kann man hier auf eine Mine treffen und muss sich fortan ohne Beine fortbewegen. Da ist mir jeder kopflose Serbe immer sehr angenehm. Am liebsten ziele ich bei diesen Kerlen auf den Kopf. Hab sogar ein Foto von einem.“ Er machte Anstalten, es hervorzukramen. „Kann jeder sehen.“
„Gott bewahre“, rief Anica. „Lassen Sie´s bloß stecken!“
„Wenn schon. Jedenfalls habe ich es zu gerne, wenn diesen Hammeln die Rübe platzt. Paff!“
„Bis es Sie selbst trifft“, entgegnete die Reporterin, zielte mit ausgestrecktem Zeigefinger und hochgestelltem Daumen auf den blonden Kopf des Großen. „Paff!“
„Es reicht!“ zischte der Steuermann. „Shut up!“
„Ich stelle mir vor“, raunte der Blonde noch leise, „wie Sie ohne Kopf aussehen, Fräulein.“
Der Fahrtwind fegte ihnen die Gischt ins Gesicht. Anica verstaute die Filmapparate nebst Zubehör und Kassetten in
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