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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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zwei wasserdichte Plastbeutel. Den mit der Kleinstkamera und den Bändern hängte sie sich um den Hals, den anderen legte sie in die Gepäckkiste am Heck.
    „Bei der Lady ist es was anderes“, meinte der Steuermann, um ein wenig einzulenken. „Sie ist bloß da, um zu beobachten, nicht wahr?“
    Die Reporterin nickte. Sie war hierher gefahren, um den Krieg festzuhalten, und der Krieg hielt sie. Sie war gekommen in dem unausgegorenen, aber ernsthaften Glauben, dass sie in der Lage sein müsste, sich alles anzusehen: ernsthaft, weil sie es ausführte, unausgegoren, weil sie nicht daran gedacht hatte, dass der Krieg sie lehren würde, genauso verantwortlich zu sein für das, was man sieht, wie für das, was man tut. Das große Problem war, dass man nicht immer wusste, was man gesehen hatte, bis später, viel später vielleicht, obwohl einem vieles nicht in den Kopf ging, es einem doch in seinen Augen erhalten geblieben war. Manchmal wusste man nicht, ob ein Vorgang eine Sekunde oder eine Stunde dauerte, oder ob man träumte oder nicht. Im Krieg wusste man weniger als im normalen Leben wirklich, was man die ganze Zeit tat, man verhielt sich bloß irgendwie.
„Nur beobachten genügt mir nicht. Mein Fotoapparat ist idiotensicher und zudem vor allem wasserdicht“, erklärte der Legionär, liebevoll auf das schwarze Kunststoffgehäuse klopfend.
    „An welche Art Aufnahmen denken Sie?“ fragte die Reporterin. „Immer nur kopflose Serben?“
    „Ich hoffe, diesen serbischen Abschaum immer auf Platte bannen zu können, mehr ohne Kopf als mit...“
    „.. und ich, dass Sie nicht mehr zum Schuss kommen, weder mit dem Gewehr noch mit der Kamera.“
    Mit schäumender Bugwelle schoss das Schlauchboot in Flussmitte zu Berg. Unerbittlich prasselte die Gischt auf die Besatzung in ihren wasserabweisenden Textilien. Trotzdem drang das Wasser durch die Kleidungsritzen und durchnässte sie in wenigen Minuten bis auf die Haut. Myriaden von Wassertröpfchen bildeten einen flatternden Vorhang über dem Boot. Der Sergeant fischte gerade aus der mit Gummistoff ausgeschlagenen Innentasche seiner Jacke nach Zigaretten, als einer der Bosnier vorn aufgeregt aufs Wasser deutete und dem Bootsführer etwas zurief. Sofort wurde der Scheinwerfer eingeschaltet, und Sekunden später hatte der Lichtfinger das aufs Ufer zuhaltende Floß eingefangen, wo die schwarzbraune Felsenkulisse eine schmale Lücke freigab. Dahinter mochte eine Grotte oder eine kleine Bucht liegen, in beruhigtem Wasser eine ideale Landungs- und Ablegemöglichkeit.
Der Unteroffizier hob den Arm. In wenigen Augenblicken würde das Holzfloß die Einfahrt erreicht haben. Eine dunkelgekleidete Gestalt legte das Heckruder. Der Steuermann am Außenbordmotor steuerte das Schlauchboot auf das Holzfloß zu, gab Vollgas. Der Deutsche versuchte verbissen, ein menschliches Ziel durchs Fernrohr anzuvisieren, der blonde Legionär schoss fluchend, da sich ihm kein Kopf zum Ziel bot, vielmals vage auf den sich abzeichnenden Schatten, bis das Magazin leer war, und ging in Deckung hinter dem Rücken des korpulenten Deutschen, der sich von dem Schlauchkörper des Bootes sicher versteckt wähnte. Der Dicke zuckte und kauerte sich zusammen, als jäh mehrere Schüsse sirrend das Wasser dicht neben dem Boot aufpeitschten.
    „Scheiße, verfluchte!“ keuchte der Deutsche. „Das muss jetzt nicht sein.“
    „Müssen uns erst mal treffen“, brummte der Legionär und spähte über den Rücken des geduckten Scharfschützen und die auf und nieder tanzende Bordwand auf den Fluss. Es fiel kein weiterer Schuss mehr, und die Schattengestalt auf dem Floß legte das Heckruder hektischer.
    „Besser wir ziehen uns jetzt wirklich zurück“, schlug Anica vor. „Der Feuerstoß sollte wohl eine Warnung sein, bevor noch schlimmeres auf uns zukommt.“
    Der Steuermann reagierte, indem er etwas Gas zugab, und die Schlauchbootnase hob sich noch ein wenig höher.
    „Noch mal Schwein gehabt, Schweiger“, raunte der Blonde und schreckte zusammen, weil am Bug der MG-Schütze einen kurzen Feuerstoß abgab; die rasante Leuchtspur zog einen grellen Strich knapp über das jetzt quer triftende Floß hinweg in die Felsen; zischend, sirrend jaulten die abprallenden Querschläger durch die noch laue Nachtluft. Den Leuten auf dem Schlauchboot schien das schwankende Holzgefährt seine Fahrt zu verlangsamen, doch bekam niemand Gelegenheit, das genau herauszufinden. Als der Hartgummibug des Patrouillenbootes einen anscheinend

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