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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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grotesk in den Himmel stakende, verkohlte Skelett einer Helikopter-Libelle. Was sah Paul in Lepa Brena, überlegte Anica, ein knackiges Junges mit erotischer Stoppelhaarfrisur? Doch was will er dann von mir?

29 Die Helikopterpilotin vor dem Einsatz
     
    Im Bürocontainer der UN-Lageführungszentrale gab Major Mary-Jo Hayward-Ball alle persönlichen Sachen aus ihrer Fliegerkombination in einem verschlossenen Umschlag an den Nachrichtenoffizier ab und empfing im Gegenzug eine Pistole des neuen Typs P 8 einschließlich Munition, das Notgeld, eine Notkarte des Einsatzgebiets sowie ein Stofftuch, auf dem in allen in Ex-Jugoslawien gebräuchlichen Sprachen um Hilfe für eine abgestürzte Besatzung gebeten wurde. Die Abgabe aller privaten Gegenstände empfand die Helikopter-Pilotin als Akt der Abnabelung, und unwiderruflich jetzt war sie an den kriegerischen Kampfhandlungen direkt beteiligt. Sie tastete nach der Pillbox mit den Speedtabletten, zog den Reißverschluss ihrer Kombination zu, als die Hupe gellte. Rasch griff sie nach der Behelmung, stülpte sie über die bunte Kurzhaarfrisur und richtete das Sprechmikrophon, während sie losrannte. Sie hatte sich für zwei Stunden Sitzbereitschaft fertig machen wollen, doch nun stand der Staffelkapitän mit der Gefechtskarte auf der Asphaltpiste und feuerte die Crews zur Eile an. Sekunden später war das Pilotenteam aus Mary-Jos Kette um ihn versammelt.
    „Obaljak“, rief der Captain und händigte allen eine Karte mit dem bezeichneten Ort aus. „Der Angriff ist vor noch nicht zehn Minuten gestartet worden. Wie der Funkspruch besagt, feuern die Kroaten mit starken Kräften aus ihren Artilleriestellungen auf die Schutzzone, die AWACS-Aufklärer melden darüber hinaus, serbische Jagdbomber würden sich kampfbereit machen. Das dürfen wir nicht zulassen. In dem Dorf haben sie ein Massaker verübt. Sucht die Gegend ab, Leute, möglicherweise sind sie schon vor Ort. Der Funker meldet sich nicht mehr. Ab!“ Die drei Black Hawks stiegen auf und drehten in imposanter Schieflage ab. Die Hubschrauberkette schoss ostwärts über den Gebirgskamm. Mrs. Hayward-Ball stimmte ihr Funkgerät ab, verglich die Peilwerte. Sie hatten die Route oftmals gemacht, wenn sie Scheinangriffe auf Punktziele in den Bergen östlich von Zenica oder als Begleitjäger für Transportmaschinen geflogen waren. Deutlich war die ölige Straße auszumachen. Sie führte in zahlreichen Windungen bergauf und bergab ostwärts. Hinter der Gebirgsbarriere hielten die drei Schwarzen Falken tiefer und rasten über die steilen Serpentinen hinweg. Mary-Jo rutschte in ihrem Sitz hin und her. Sie war hungrig. Bis zur Abfahrt von Sarajevo hatte sie keine Gelegenheit zum Essen gehabt. Burkhart war noch nicht zu Hause, mikrowellentaugliche Lebensmittel nicht aufzufinden gewesen. Sie griff in die Seitentasche ihrer Kombination, entnahm einen Müsli-Riegel und steckte ihn am Mikrophon vorbei in den Mund. In dem Moment, als sie zubiss, meldete sich die Bodenstation. „UN-Einheit in Obaljak überwältigt. Helikopter abgeschossen. Überlebende werden festgehalten.“
„Okay“, sagte die Pilotin, den Bissen in der Backentasche, „dann brauchen wir nicht lange suchen. Flächenziel Dorfterrain!“ Die Bestätigung kam, als die flinken Maschinen bereits den Gebirgssattel passierten, hinter dem sie auf Obaljak zustießen. Der Blick der Pilotin fiel auf das Cheat-Heed, das eigenhändig erstellte Flugmerkblatt, das alle für die Mission wichtigen Informationen enthielt: Die Rufzeichen aller beteiligten Flugmaschinen, alle einzuhaltenden Zeiten, Frequenzen, Koordinaten, Codewörter und Verschlüsselungen sowie die Freund-Feind-Kennung. Wenn Burkhart mich jetzt sehen könnte, schoss es Mary-Jo durch den Kopf. Sie hielt inne, erschrocken darüber, was sie gedacht hatte. Es gab Gedanken, die man wie ein Geheimdokument möglichst rasch verbrennen möchte, damit nichts davon übrigblieb. Eben von der Art war ihr Gedanke über das, was sie von ihrem überängstlichen Mann wusste, denn solche Gedanken waren verbunden mit dem Leben eines anderen, sehr nahen Menschen. Und da ließ sich das eine nicht ohne das andere denken, alles war nur in einem zu denken. Sie hatte sich seit jeher so gewünscht, Anerkennung und Bestätigung durch ihren Mann zu finden, dabei starb Burk jedes Mal den Heldentod, wenn er an seine im Kampf stehende Frau dachte.
Mary-Jo riss sich von ihren Vorstellungen los, blickte nach vorn aus der Plexiglaskanzel auf den kleinen

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