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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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schwarzen Flecken hinab, der einmal das Dorf Obaljak gewesen war. Die drei Helikopter verhielten in sicherer Höhe auf der Stelle, um das Terrain zu sondieren und lohnende Ziele auszumachen.
Zudeck-Perron vernahm die Turbinen zuerst. „Jetzt können wir uns gratulieren“, sagte er zu seiner Kollegin. „Der Ort voller Kroaten, denen die Moslems auf den Pelz rücken, vom Berg ihre eigenen Artilleriegeschosse und jetzt noch von oben die Libellen mit ihren Raketen.“ Er kauerte sich hinter die verkohlten Reste einer Bretterwand. Es wurde nur noch vereinzelt geschossen. Anica steckte vorsichtig den Kopf zum Fenster heraus. Trupps der Muslime suchten die Nebenwege nach versprengten kroatischen Soldaten ab. Auf dem Dorfplatz wurden die Gefangenen zusammengetrieben sowie jene, die sich beim Herannahen der Muslime ergeben hatten. Dieselben Kämpfer, die über die schmalen Stiege zwischen den kleinen Plantagen ins Dorf gehastet waren, zogen sich bereits wieder zurück. Die Ortschaft gehörte dem islamischen Teil Bosniens. Ihr Auftrag war erfüllt.
    „Befolgen Sie meine Anweisungen“, sagte das plötzlich hereintretende Muslim-Mädchen zu Anica gewandt, „und es wird Ihnen nichts geschehen. Bleiben Sie in Deckung. Wir möchten nicht, dass Sie von einem verirrten Geschoss getroffen werden, womöglich aus einem UN-Hubschrauber, die jetzt auf alles draufhalten.“
Die ruhige, sachliche Bestimmtheit, mit der es das sagte, erstickte jede Lust an Widerspruch im Keim. Zudeck-Perron sah lächelnd dem wieder aus der Tür tretenden Mädchen nach und nahm bei Anica auf einem Sessel aus Strohballen Platz. Die Journalistin sprach einige Worte in das Diktiergerät, dann machte sie kurze handschriftliche Aufzeichnungen.
    „Dass Sie so gelassen bleiben können“, meinte der Pressefotograf verwundert zu ihr. „Ist Ihnen denn nicht klar, dass wir Gefangene der Moslems sind?“
    „Und wennschon“, gab Anica zurück. „Wir sind Korrespondenten und an keinerlei Kampfhandlungen beteiligt.“
    „Glauben Sie“, fragte Zudeck-Perron in bangem Tonfall, „man wird uns freilassen, sobald das Scharmützel vorbei ist?“
    „Da bin ich mir sogar ganz sicher“, entgegnete sie und dachte an die aufgepinselten Parolen auf den angekohlten Trümmern.
    „Sie trauen den Muslimani ja viel Fairness zu“, erwiderte er leise. „Da bin ich etwas realistischer, meine Liebe. Diese hinterwäldlerischen, arabofonen Kerle kommen aus den bosnischen Bergen. Woher wollen die wissen, was es heißt, sich an internationale Gepflogenheiten zu halten?“
    „Sie sind nur pessimistisch, Zudeck-Perron, um nicht zu sagen defätistisch. Warten Sie es doch einfach ab.“
    „Sie haben die Ruhe weg, Klingorchen. Und natürlich bisher immer ziemlichen Dusel gehabt.“
    „Warum sollte es also diesmal anders sein?“
    Zudeck-Perron seufzte. „Schade nur um die schönen Aufnahmen. Dabei bin ich mehrmals recht gut getroffen, schätze ich. Selbst wenn uns die Burschen laufen lassen, Kameras und Filmmaterial sind wir los.“
    Anica zuckte die Achseln. Sie war sicher, dass man ihnen alles belassen würde. Das Schießen verlagerte sich zum Fluss hin, verstärkte sich erst, um dann abrupt abzubrechen. Die Journalistin trat gebückt erneut ans Fenster, spähte hinaus. Postenpärchen mit zweigbehängten Stahlhelmen preschten heran, gingen in Stellung. Die Bajonette ihrer Automatgewehre blitzten in der schräg stehenden Sonne. Die Uhr zeigte zwei Stunden nach Sonnenaufscheinung. Anica richtete sich auf, streckte sich. „Bitte mich zu entschuldigen, Zudeck-Perron, ich muss... etwas erledigen“, sagte sie leise, verschwand durch die Hintertür.
Der Fotograf lehnte sich an den Strohballen zurück, schloss die Augen, nickte ein. Im Schlafen wälzte er sich auf die Seite und rollte dabei auf seine Kamera. Er wachte auf, was die Erinnerung an seinen Traum von einem Brennpunktbericht mit ihm als TV-Interviewpartner zerstörte, er blinzelte, wusste nicht gleich, wo er war; er entsann sich, nahm die Kamera auf. Behaglich streckte er sich aus, um wieder einzuschlafen, eine Hand auf der Kamera, die andere auf den Strohballen gelegt.
Plötzlich fühlte er eine Berührung an seiner Schulter, drehte sich rasch um. „Was soll das, Klingorchen?“ fragte er erschrocken, die Finger seiner rechten Hand umklammerten die Kamera. Dann sah er das lächelnde Gesicht, auftauchend aus der gleißenden Helligkeit der Haustüröffnung. „Ah, du bist es, Lepa Brena!“ sagte er. Er ließ die Kamera los,

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