African Angel - Mit 50 Cents die Welt veraendern
achtete ich sorgfältig darauf, von keinem der Bekannten meines Mannes gesehen zu werden. Erst in Benrath fühlte ich mich ein wenig sicherer. Ich fand die Telefonzelle und wählte die Nummer.
»Okay, Harriet«, sagte eine entschlossene Frauenstimme, »in einer halben Stunde ist jemand bei dir und holt dich ab.«
Ich werde nie vergessen, wie ich zum ersten Mal das Frauenhaus betrat. Es war ein unscheinbares Haus mit drei Stockwerken. Überall sah ich Frauen aus den Zimmern schauen. Ich hörte Kindergeschrei und die beruhigenden Stimmen von Müttern.
Ich wurde zuerst ins Büro gebracht, wo sich die Sozialarbeiterinnen mit mir unterhielten. Sie ließen mich erzählen, stellten ihre Fragen. Erklärten mir, wie so ein Frauenhaus »funktioniert« und dass sie mir helfen würden, ein eigenes Leben aufzubauen. Aber ich hätte mich auch an bestimmte Regeln zu halten. Ich müsse ehrlich mit ihnen sein. Ich dürfe keine doppelten Spiele spielen. Wenn ich zu meinem Mann zurückging, dann wäre das meine Sache. In diesem Fall müsste mein Mann für die Kosten im Frauenhaus aufkommen. Unter keinen Umständen dürfte ich jemandem von außen erzählen, wo sich das Frauenhaus befindet.
Ich hatte nicht vor, es jemandem zu erzählen. Wem auch, dachte ich traurig. Ich hatte niemanden. Meine Arbeitskolleginnen gehörten schon lange nicht mehr zu meinen Vertrauten. Und sonst kannte ich nur Anthonys Freunde.
Schließlich führten sie mich in einen Schlafsaal, in dem zwölf Frauen beisammen wohnten. Ganz hinten wiesen sie mir ein Bett zu. Die Frauen mit Kindern hatten eigene Zimmer. Aus einem schaute eine Afrikanerin, ungefähr in meinem Alter, und lächelte mir freundlich zu. Ein Kind schlief in ihrem Arm, ein anderes spielte zu ihren Füßen.
»Hi«, sagte sie auf Englisch, »ich bin Mary-Ann. Ich komme aus Ghana. Und du?«
UNTER FRAUEN
Ich hatte endlich eine Freundin gefunden, jedenfalls glaubte ich das damals. Mary-Ann war mit ihren beiden Kindern und ihrer Mutter ins Frauenhaus gekommen. Moses, ihr Mann, hatte sie geschlagen. Selbst die Anwesenheit der Schwiegermutter hatte Moses nicht davon abgehalten, seine Frau weiterhin zu prügeln. Mary-Anns Mutter war angesichts dieser Missachtung ihrer Person in Ohnmacht gefallen und hatte mit Blaulicht ins Krankenhaus gefahren werden müssen. Natürlich hatte ihre Tochter siebegleitet, mitsamt der Kinder. Vom Krankenhaus waren sie direkt ins Frauenhaus gekommen. Und dort saßen sie nun, so wie viele. So wie auch ich.
Ich weinte fast ununterbrochen während meiner ersten Zeit im Frauenhaus. Ich weinte aus vielerlei Gründen: über die absurde Sackgasse, in die ich geraten war, über meine ungewisse Zukunft. Aus Heimweh nach Bernard und den anderen Verwandten. Aus Heimweh nach Afrika. Und über das Scheitern meiner Ehe. Erst jetzt merkte ich, wie angespannt ich die ganzen vergangenen Wochen gewesen war. Doch auch im Frauenhaus bekam ich anfangs noch keine Ruhe.
Es dauerte keine zwei Tage, da wusste mein Mann, wo ich war. Ich habe keine Ahnung, wie er die Adresse herausbekommen hat. In einem britischen Militärjeep fuhr er mit seinen Kollegen vor. Eine der Frauen hatte es bemerkt und wir liefen alle an die Fenster.
»Jetzt kommen sie mich holen«, flüsterte ich voller Entsetzen.
»Unsinn«, sagte Mary-Ann, »das schaffen die nicht. An Hildegart kommt niemand vorbei.«
Wie erwartet, bestanden die Soldaten darauf, mich aus dem Haus zu holen. Ich sei die Frau eines britischen Soldaten und aus den Angelegenheiten des britischen Militärs sollte sich das Frauenhaus gefälligst heraushalten.
Aber sie kannten Hildegart und ihre Kolleginnen nicht. Es waren starke Frauen, die nicht zuließen, dass Anthony mich wieder in die Finger bekam. Das Gespräch dauerte wohl eine halbe Stunde und wir hörten von unten herauf laute Worte. Es wurde hart verhandelt, ich lauschte zitternd im obersten Stockwerk, wohin ich mich verkrochen hatte. Schließlich zogen die Soldaten wieder ab und ich atmete auf.
Doch es tauchte bald ein anderes Problem auf. Bei meiner Flucht hatte ich alles zurückgelassen. Mir ging es nicht um meineKleidung; das Frauenhaus verfügte über einen großen Fundus an gespendeten Kleidungsstücken, aus denen ich mir aussuchen durfte, was ich brauchte. Das waren sehr gute Sachen, ein paar dieser Dinge trage ich sogar heute noch, nach all den Jahren, so gut ist die Qualität.
Aber ich hatte meine Papiere zurückgelassen, und die brauchte ich. Was also tun?
Glücklicherweise hatte ich
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