African Boogie
erhob sich wuchtig ein kleines Felsgebirge, auf dem ein Windrad stand.
Die zahlreichen kleinen Bungalows schmiegten sich an Felsformationen, als wären sie aus dem Stein hervorgewachsen.
Schmetterlinge flatterten zwischen blühenden Sträuchern von Hibiskus und Bougainvillea hin und her. So hätte es vermutlich im Garten Eden ausgesehen, dachte Katharina. Wenn da nicht die blöde Geschichte mit dem Apfel dazwischengekommen wäre.
Augustin tippte ihr auf die Schulter: »Alles in Ordnung?«
»Warum?«
»Du weinst.«
Katharina betastete ihre Wangen. Tatsächlich waren ihr zwei Tränen die Wangen hinuntergelaufen. Sie hatte es geschafft! Sie war frei. Frei!
»Nur der Fahrtwind«, log sie rasch. »Meine Augen sind etwas empfindlich.«
Augustin zuckte mit den Schultern, als würde er ihr nicht recht glauben.
»Mein Gott, ist das schön hier«, sagte Katharina schließlich.
»Natürlich! Die Götter haben Afrika geschaffen, als sie besonders gute Laune hatten.« Auf Augustins ausgestreckter Hand hatte ein bunter Falter Platz genommen.
Katharina ließ den Wagen wieder anrollen, musste aber gleich darauf bremsen: Vor ihnen überquerte ein Warzenschwein mit geschäftigen Schrittchen den Weg.
»Ich habt hier Warzenschweine?«, fragte Katharina erstaunt, während sie das Tier betrachtete, das sich am Wegesrand auf die Vorderknie niedergelassen hatte, um zu grasen.
»Nur das Eine. Das ist Anton. Unser Maskottchen. Hat uns ein Ingenieur aus Namibia geschenkt«, antwortete Augustin.
Sie fuhren über den Kiesweg zu einem Gebäudeensemble am Rand des Plateaus: Der große, offene Pavillon war vermutlich das Restaurant; das funktional-eckige Gebäude, das sich daran anschloss, enthielt wahrscheinlich die Küche, nach den Schornsteinen auf dem Dach zu urteilen. Etwas abseits stand ein zweistöckiger Holzbau mit einer offenen Veranda.
Augustin wies Katharina an, vor der Veranda zu parken. Sie kletterten aus dem Wagen und gingen ein paar Stufen hinauf.
Korbsessel und Sofas, mit bunten Tüchern bedeckt und üppig mit Kissen dekoriert, gruppierten sich um kleine Tische. In der Mitte der Veranda stand ein großer Tresen aus knorrigem Holz. Hinter dem Tresen wartete eine zierliche Schwarze mit kurzem, zu winzigen Zöpfen geflochtenem Haar. Ihr Kopf ragte gerade eben über den Tresenrand.
»Welcome to Golden Rock, Misses Yamamoto!«, verkündete sie in fröhlichem Singsang. »Your passport and your voucher, please!«
Katharina kramte in ihrer Handtasche nach ihrem Pass sowie den Reiseunterlagen und reichte beides über den Tresen.
»Have a seat, please. Gustavo will bring hot towels and a welcome drink.«
Katharina gehorchte und setzte sich auf das nächste Sofa. Aus dem Nichts erschien ein Kellner. Von einem Tablett nahm er ein großes Cocktail-Glas und stellte es vor Katharina auf den Tisch. Die Flüssigkeit darin war am Boden rot und wurde nach oben hin Orange. Katharina zögerte: »Alkohol?«
»Kein Alkohol, Ma’am, frisch pressed Juice«, erklärte der Kellner. Dann reichte er ihr auf einem Teller ein sauber gefaltetes, dampfendes Handtuch. Katharina nahm es und rieb sich Gesicht und Hände ab. Sie wollte sich bedanken, doch der Kellner war schon wieder verschwunden.
Also nippte sie an dem Saft. Sie merkte, wie durstig sie war, und trank den Rest in einem Zug. Als sie das Glas absetzte, stand die zierliche Schwarze plötzlich neben ihr.
»Terribly sorry, Misses Yamamoto«, sagte sie in besorgtem Singsang-Moll. »Please follow me.«
Was war denn? Das Mädchen führte Katharina zu einer Tür mit der Aufschrift »Head of Security«.
Katharinas Kehle schnürte sich zu, ihr Herz begann zu rasen. War sie erwischt worden? Waren ihre Papiere …? Im Geiste überprüfte sie schon ihre Optionen zur Flucht. Erst mal runter von Golden Rock. Sie hatte genug Geld in der Handtasche, jemand würde sie sicher zum Festland bringen können. Und dann?
Das Mädchen öffnete ihr die Tür. Katharina atmete tief ein und ging hindurch, bereit, sofort zuzuschlagen. Die Tür schloss sich mit einem leisen Knacken.
»Kaja? Bist du das?«
Katharina wirbelte herum und fand sich gleich darauf an eine sehr breite und sehr geblümte Brust gedrückt. Dann schoben zwei große Hände sie auf Armeslänge weg.
»Du bist es tatsächlich.«
»Harry?«, war das Einzige, was Katharina herausbekam.
Vor ihr stand tatsächlich Harry Markert, ihr alter Kollege aus Kassel. Sein Haar und sein Bart waren grau geworden, er hatte zugenommen und er trug
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