African Boogie
er es nicht war?«, hallte es in ihrem Kopf. Susanne. »Noch gilt in diesem Land die Unschuldsvermutung.« Polanski.
»Hat Felipe de Vega Sie angeheuert, um mich zu töten?« Silbe für Silbe stieß sie den Satz zwischen den Zähnen hervor.
»Wer?«
»Und wer hat Sie bezahlt, meine Familie umzubringen?«
»Was?« Andreas Amendt bäumte sich ein letztes Mal gegen Katharinas Griff auf. Dann verließ ihn die Kraft. Sein Körper wurde schlaff; er wäre nach vorne gekippt, wenn Katharina ihn nicht weiterhin gegen die Stahltür gedrückt hätte.
»Können Sie mir irgendeinen Grund sagen, warum ich Ihnen keine Kugel in den Kopf jagen sollte?«
Amendt hob nicht mal den Kopf. »Tun Sie’s«, sagte er leise und beinahe sehnsüchtig.
»Dann erfahren Sie aber nie die ganze Wahrheit.« Einen Augenblick dachte Katharina, sie hätte sich die sanfte Stimme nur eingebildet. Doch neben ihnen stand jemand. Olivfarbener Teint, kurze grau melierte Haare, glatt rasiert. Schwarzes Hemd. Und er trug einen … Priesterkragen?
Wer auch immer das war, er hatte recht. Katharina ließ Amendt los. Er sackte zusammen. Als er auf dem Boden saß, blickte er zu ihr auf: »Wie haben Sie mich überhaupt gefunden?«
»Ich Sie? Sie mich! Sie sind mir doch nachgereist!«
»Ich Ihnen? Woher sollte ich denn wissen, wo Sie sind?«
»Das möchte ich auch gern wissen.« Katharina richtete die Waffe wieder auf Andreas Amendt, doch die Frau aus Harrys Begleitung stellte sich vor ihn: »Andreas ist Ihnen sicher nicht nachgereist. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Dass er herkommt, war meine Idee.«
»Und Sie sind?«, fragte Katharina ärgerlich.
»Sandra Herbst. Ich bin Ärztin hier auf Mafia Island. Andreas und ich waren Kommilitonen. – Und Sie sind also …? Mein Gott, Sie sehen Ihrer Schwester aber wirklich zum Verwechseln ähnlich.«
Der Priester hüstelte in Katharinas Verblüffung hinein: »Ich will mich ja nicht einmischen. Aber nebenan liegt ein Toter, für den ich gerne das Totengebet sprechen würde.«
Die Leiche lag bäuchlings auf einem Tisch in der Mitte des Kühlraums. Um Mund und Nase hatte sich eine Wasserlache gebildet. Es war einer der beiden Rüpel, Mandeibel.
Einen kurzen Moment standen sie reglos um den Tisch, bis Harry das Schweigen brach: »Doktor Amendt, haben Sie etwas herausgefunden?«
»Er ist ertrunken. Wasser in der Lunge, vielleicht auch Erbrochenes. Aufgefunden wurde er mit dem Kopf in der Toilette seines Bungalows.« Es klang, als würde Andreas Amendt einen Bericht diktieren.
»Wie kann man denn in einer Toilette ertrinken?«, fragte Katharina.
»Keine Ahnung«, antwortete Andreas Amendt mürrisch. »Hab’ den Fundort noch nicht gesehen.«
»Hat ihn jemand untergetaucht?«
»Schwer zu sagen.« Der Arzt deutete auf den Rücken des Toten. »Ich sehe keine Prellungen oder so.«
»Okkult, vielleicht?«, fragte Katharina. Sie überkam ein Déjà-vu. So hatte es vor zwei Wochen auch begonnen. Katharina hatte Andreas Amendt um Hilfe bitten müssen. Und er hatte eine verborgene Prellung entdeckt: der erste Hinweis darauf, dass Katharinas Nachbarin einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen war.
Auch Andreas Amendt erinnerte sich an diesen Moment: »Sie haben vermutlich wieder keine UV-Lampe dabei, oder?«
»Nein. Harry? Habt ihr so was?«
»Nee.«
Katharina wandte sich wieder an Amendt: »Noch etwas?«
»Nicht ohne Autopsie, nein.«
Gott sei Dank. Eine Möglichkeit zur Flucht. »Gut, dann will ich den Tatort sehen.«
»Moment«, hielt Javier sie auf. »Das Gebet.«
Na, wenn es denn sein musste. Katharina faltete die Hände und senkte das Haupt. Javier sprach ein Gebet auf … Nein, das war kein Spanisch. Es war Portugiesisch.
Endlich war das Gebet zu Ende. Alle murmelten ein Amen. Dann verließen sie die Kühlkammer. Wurde auch Zeit. Katharinas Finger waren schon steif von der Kälte.
Die kleine Gruppe ging durch die Dunkelheit über die Kieswege, Harry vorweg, dahinter Andreas Amendt und Sandra Herbst, dahinter wiederum der Priester und Katharina, die sich entschlossen hatte, Andreas Amendt ab sofort immer vor sich zu halten. Auf Sicht. Momentan wirkte er zwar alles andere als bedrohlich, aber in ihr nagte der Zweifel, ob ihr Zusammentreffen wirklich Zufall war. Wenn nicht, wie hatte er dann herausgefunden, wo sie war? Er musste ihr zum Flughafen gefolgt sein. Vielleicht hatte er ihr Haus ausgekundschaftet und den geheimen Ausgang entdeckt. Und er wusste, wie sie dachte. War in ihren Kopf
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