African Boogie
Katharina und Harry das Plateau erreichten, standen dort schon zwei Menschen und starrten in den Abgrund: Dirk-Marjan und Kristina.
Noch bevor Katharina die beiden fragen konnte, was sie hier machten, bekamen sie noch mehr Gesellschaft: Der Freiherr, in frisch gebügeltem Tropenanzug und mit passendem Helm auf dem Kopf, drängte sich an ihnen vorbei. In den Händen hielt er zwei kleine Flaggen.
»Was machen Sie denn hier?«, fragte Harry.
Der Freiherr deutete aufs andere Ufer: »Ein Freund von mir wird gleich dort auftauchen. Ich werde ihm signalisieren, dass wir Hilfe brauchen.«
»Sie können Flaggenzeichen?«, fragte Katharina neugierig.
»Winkerzeichen«, korrigierte sie der Freiherr. »Ich wusste doch, dass meine Zeit bei der Marine nicht umsonst war.«
»Marine?« Noch ein Inselbewohner mit militärischer Vergangenheit. Kannte er sich auch mit Sprengstoffen aus?
»Familientradition. Diesmal ausnahmsweise nützlich. – Wie mein Vater immer zu sagen pflegt: Ein Mann von Welt kann nicht genug wissen und können. Ah, da ist er.«
Der Freiherr trat an den Rand des Plateaus und begann, zackig die Flaggen zu schwenken. Eigentlich sah es mehr nach Ausdruckstanz aus, aber der muskulöse Schwarze am anderen Ufer verstand. Er zog zwei Taschentücher aus der Tasche und begann gleichfalls zu wedeln.
Katharina wandte sich von dem stummen Dialog ab und ging an die Stelle, an der die Brücke aufs Plateau gestoßen war.
»Eine Schande«, seufzte Dirk-Marjan, der gleichfalls in den Abgrund starrte. »Die Brücke war ein echtes Kunstwerk.«
Richtig. Dirk-Marjan war Architekt. »Wissen Sie, wie die Brücke einstürzen konnte?«, fragte Katharina.
»Von selbst? Gar nicht. Zwei redundante Sets von Stützen –«
»Redundant?«
»Zwei unabhängige Stützensets halt, jede einzeln in der Lage, die Brücke zu halten. Und dann diese Stahlseil-Konstruktion, die die Brücke flexibel gemacht hat, damit sie Wind und Strömungen aushält.«
»Sie meinen, jemand hat nachgeholfen?«
»Natürlich. Was denn sonst?«
»Wissen Sie, wie?«
»Ich müsste runterklettern.« Er deutete auf die in der Felswand verankerten Stützenreste. »Dann kann ich Ihnen mehr sagen. Warten Sie, hier war doch irgendwo ein Seil?«
Richtig. Sie hatten das Seil zurückgelassen, als sie den Freiherrn gerettet hatten. Dirk-Marjan band das eine Ende des Seils um einen Felsvorsprung und zog kräftig daran, um zu sehen, ob es hielt. Dann breitete er seine Jacke auf dem Boden aus.
»Können Sie aufpassen, dass das Seil nicht von der Jacke rutscht und durchscheuert?«, bat er Katharina, wartete die Antwort aber gar nicht erst ab, sondern schlang sich das Seil mehrfach um den Bauch und ließ sich über die Kante gleiten. Katharina sah ihm nach, während sie das Seil auf der Jacke hielt.
Dirk-Marjan war ein geschickter Kletterer. In nicht mal einer Minute hatte er die Stützenreste erreicht. Kritisch musterte er die Bruchstellen. Dann rief er nach oben: »Ja. Eindeutig gesprengt. Hier sind Spuren von Sprengschnur.« Er band das Ende des Seils um einen losen Stützenrest.
Katharina fragte nach unten: »Sollen wir Sie hochziehen?«
Er winkte ab, während er die Wand betrachtete. Dann stieg er leichtfüßig auf und zog sich über den Rand des Plateaus, ohne auch nur außer Atem zu sein.
»Aha, der Täter kehrt an den Ort seiner Tat zurück. Sind Sie wirklich so frustriert, dass sie den Auftrag nicht bekommen haben, dass Sie gleich eine von unseren Bauten einreißen müssen?« Die Bronskis hatten sich über ihnen aufgebaut.
»Ihre Bauten?«, fragten Dirk-Marjan und Katharina gleichzeitig. Bronski antwortete überheblich: »Natürlich. Die Brücke stammt von mir.«
»Wenn ich richtig informiert bin, haben Sie den eigentlichen Architekten der Brücke gefeuert.«
Dirk-Marjan war aufgesprungen. Bronski trat ängstlich einen Schritt zurück. »Meinen Sie den Schröder? Okay, der war letztlich ausführend, aber die Vision …«
»Vision? Sie meinen diese expressionistischen Kritzeleien, mit denen Sie Ihre Kunden beeindrucken?«
»Ach Jakutzki, Sie sind doch nur sauer, weil Sie den Auftrag für diese Autobahnbrücke verloren haben.«
»Kein Wunder, bei Ihren Kickback-Zahlungen.« Dirk-Marjan fügte zu Katharina gewandt hinzu: »Bronski ist seinen Auftraggebern gegenüber immer sehr großzügig.«
»Und außerdem ziemlich schlecht im Bett«, eilte Kristina ihrem Ritter zu Hilfe. »Ist der Sex zwischen Ihnen auch so grauenvoll?«, wandte sie sich an Gabriele
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