African Boogie
den Satz nicht zu Ende. Katharina wusste dennoch, was er meinte: Die falsche Behandlung würde Norrisch umbringen.
»Er muss in ein Krankenhaus. So schnell wie möglich«, stellte Sandra Herbst fest.
»Frau Yamamoto, könnten Sie …?«
Doch Katharina war schon losgelaufen. Hinein in den strömenden Regen, der sie fast blind machte. Sie konnte nur hoffen, dass sie in die richtige Richtung lief.
Endlich. Die Rezeption. Stefan Döring war in seinem Büro. Gott sei Dank.
»Wir brauchen einen Hubschrauber«, stieß sie hervor. »Norrisch. Leberversagen. Kann nicht warten.«
Döring griff zum Hörer des Satellitentelefons. Er wählte, sprach zackig. Doch sein Ton wurde rasch immer mutloser. Missgelaunt legte er auf: »Die können erst kommen, wenn der Regen nachlässt.«
»Und wann ist das?«
»Wenn wir Glück haben, heute Abend.«
»Und wenn wir Pech haben?«
»Tage!«, seufzte Döring.
Katharina wollte sich am liebsten in einen Stuhl fallen lassen, doch dazu war keine Zeit. Sie stürzte wieder hinaus, in den Regen hinein. Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie den richtigen Bungalow wiederfand.
Sandra Herbst und Andreas Amendt schauten sie erwartungsvoll an.
»Nicht vor heute Abend«, beantwortete Katharina die ungestellte Frage.
»Verdammt!« Amendt schlug wütend mit der Faust gegen die Wand. »Was machen wir jetzt?«
»Wir können seinen Kreislauf stabilisieren. Und hoffen, dass keine Komplikation eintritt«, schlug Sandra Herbst vor.
»Optimistin!«
»Was sollen wir denn sonst machen? Wir haben keine Möglichkeit zur Blutwäsche.«
»Warum eigentlich nicht?« Andreas Amendt schlug diesmal mit der Faust gegen den hölzernen Stützpfeiler in der Mitte des Raums. »Vergiftungen müssen doch häufiger vorkommen. Warum gibt es so was nicht im jedem Resort? Oder auf deinem Jeep?«
»Zu teuer.« Sandra Herbst ließ entmutigt die Schultern sinken, und setzte sich dann wieder neben Norrisch auf das Bett.
»Ich hab’ mal gehört, dass man eine Leber kurzfristig durch eine Schweineleber ersetzen kann.« Katharina wusste selbst nicht, warum sie das sagte. Vielleicht, weil sie die Hoffnung noch nicht aufgeben wollte. Oder weil sie die Stille nicht ertragen konnte.
»Sie sind ein Genie.« Ehe Katharina es sich versah, hatte Amendt ihr einen Kuss auf die Lippen gedrückt. Und genauso schnell zuckte er zurück. Katharina schlug sich verdattert die Hand vor den Mund.
Eine Sekunde blickten sie sich unschlüssig in die Augen. Dann gewann Andreas Amendt die Fassung wieder. »Hier läuft doch ständig so ein Warzenschwein rum. Anton. Das brauchen wir.«
Sandra Herbst starrte ihn entsetzt an: »Andreas, das kann nicht dein Ernst sein.«
»Hast du eine bessere Idee?«
»Weißt du, was er sich dabei alles einfangen kann?«
»Spielt das eine Rolle? Egal, was er sich einfängt, es bringt ihn nicht so schnell um wie eine kaputte Leber.«
»Hast du überhaupt eine Ahnung, wie so was geht? So ein extrakorporaler Leberersatz?«
»Hab’ mal einen Artikel gelesen. Kann aber nicht so schwer sein. – Kommen Sie, Frau Klein. Wir brauchen dieses Schwein. Und einen geschickten Bastler.«
»Sie wollen was?«, fragte Augustin Andreas Amendt entsetzt.
»Ich will Norrischs Leber kurzfristig überbrücken. Dazu brauche ich Anton. Und eine große Schüssel. Kochsalz. Einen Eimer. Ein paar dünne Schläuche. Und eine regelbare Pumpe.«
»Wo soll ich denn …« Dann blitzten Augustins Augen auf: »Geht eine Aquariumspumpe? Wir wollen nämlich in der Rezeption –«
»Perfekt. – Kommen Sie. Holen Sie alles.«
Augustin sprach mit zwei Angestellten in ihrer Sprache. Erst dachten sie wohl, er sei völlig durchgedreht. Doch als Augustin strenger wurde, trollten sie sich.
»Anton ist ihr Lieblingstier«, grollte Augustin und stapfte davon. Katharina musste sich beeilen, um mit ihm Schritt zu halten.
Sie gingen zu einer kleinen Werkstatt hinter dem Gebäude. Augustin schloss die Tür auf. Drinnen begann er, alles Mögliche zusammenzuraffen und Katharina anzureichen: Werkzeug. Dünne Schläuche. Immer wieder schweifte sein Blick durch die Regale. »Ach da!«, sagte er endlich und nahm eine Pappschachtel aus einem Fach. »Die Pumpe. Jetzt haben wir alles.«
Augustin war es wohl gewohnt, blind durch den Regen zu laufen, denn er fand Norrischs Bungalow ohne Schwierigkeiten. Andreas Amendt hatte inzwischen schon eine Schüssel und einen Eimer mit Wasser gefüllt. Jetzt war er gerade dabei, sehr sorgfältig Salz abzumessen und in die
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