African Boogie
seinen Rücken untersucht habe? Dort hatte er eine Einstichstelle«, antwortete er. »Von einer dicken Kanüle. Irgendjemand hat ihm etwas direkt in die Leber gespritzt.«
»Aber das muss Norrisch doch gemerkt haben. So einen Einstich.«
»Außer, jemand hat ihn vorher betäubt.«
Einen Moment lang sahen sie sich an. Dann rannten sie zurück zu Norrischs Bungalow.
In Norrischs Zimmer stand noch immer die seltsame Apparatur, die ihm das Leben gerettet hatte. Aufgerissene Einwegpackungen von Instrumenten und Spritzen waren überall verstreut. Und in der Badewanne lag noch der Kadaver von Anton, dem Warzenschwein.
Katharina ließ ihren Blick über die akkurat geordnete Ablage im Bad schweifen. Kamm, Zahnpasta, Zahnbürste, eine Packung Aspirin, ein Medikament zur Malariaprophylaxe, Rasierer, Rasierschaum, Rasierwasser und ein Deo. Kein Schlafmittel. Aber das wäre ja auch zu einfach gewesen. Sie ging zurück in den Wohn- und Schlafraum.
Andreas Amendt durchsuchte gerade vorsichtig den ebenfalls sauber sortierten Kleiderschrank. Katharina nahm sich die Aktentasche vor. Die Reiseunterlagen, den Brief des pharmazeutischen Unternehmens, den sie schon kannte, ein Kalender, ein Notizbuch und ein paar Stifte. Sie blätterte das Notizbuch durch. Ein paar Eintragungen zur Reise. Ein Eintrag behandelte den Flug. »Kein Kollege an Bord«, hatte Norrisch notiert. »Zumindest keiner, den ich kenne. So kann es meinetwegen bleiben. Vierzehn Tage keine Medizin. Das wäre paradiesisch.« Katharina schmunzelte. Aber Norrisch hatte recht: Es waren keine weiteren Ärzte in der Reisegruppe. Norrisch war der Einzige. Warum hatte das Pharma-Unternehmen ausgerechnet ihn auf die Insel geschickt?
Sie fragte Andreas Amendt, der erst mit den Schultern zuckte. Dann dachte er noch einmal nach: »Was ich mir vorstellen kann, ist, dass den Pharma-Fritzen seit Neuestem genauer auf die Finger geschaut wird. Und deshalb schicken sie nicht mehr alle Kandidaten gemeinsam nach Hawaii, sondern buchen die Reisen einzeln. Und dass sie nur Broschüren aushändigen, ist wenigstens konsequent. Die Vorträge hört sich sowieso keiner an.«
»Und das falsche Fachgebiet? Rhüger-Pharm stellt doch Medikamente für die Orthopädie her, oder? Das hat Doktor Norrisch mir erzählt.«
»Ach, die werden irgendwelche Adressdatenbanken gekauft haben. Vielleicht war da das falsche Fachgebiet eingetragen.«
Sie sahen sich weiter um. Auf dem kleinen Schreibtisch standen eine kleine, halb leere Flasche Sekt und ein Glas.
Sektflasche. Gläser. Natürlich. Bei den Breughers hatte ebenfalls eine Sektflasche gestanden. Katharina sah in die Minibar. Kein weiterer Sekt. Und auch auf der kleinen Inventarliste war er nicht verzeichnet.
Sie winkte Andreas Amendt zu sich und deutete auf die Sektflasche. »Die gehört nicht hierher. Kann sein, dass da das Betäubungsmittel drin ist.«
Amendt hob die Flasche gegen das Licht. »Halb voll.«
»Wir müssen unbedingt eine Probe aufheben und im Labor –«
»Es gibt eine einfachere Methode. Im Namen der Wissenschaft, hoch die Tassen!« Er setzte die Sektflasche an und trank sie aus, bevor Katharina sie ihm entreißen konnte.
»Sind Sie wahnsinnig?«
»Das wissen Sie doch. Keine Sorge, da war nicht das Lebergift drin. Alles, was so stark ist, schmeckt ziemlich eklig.«
»Aber …«
»Finden Sie Sandra. Die kriegt mich schon wieder wach.« Er setzte sich entspannt aufs Bett.
Richtig. Sandra. Ärztliche Hilfe. »Rühren Sie sich nicht vom Fleck!«
Und wieder rannte Katharina los, über die Wiese. Ihre Schritte knatschten im Wasser, das noch nicht abgeflossen war. Sie fand Sandra Herbst und Harry in der Rezeption.
»Ich habe gehört, alles ist gut ausgegangen –«, setzte Harry an.
»Keine Zeit!«, rief Katharina. Sie nahm Sandra Herbst an der Hand und zog sie mit sich. »Andreas … Doktor Amendt hat was ziemlich Dummes gemacht.«
Andreas Amendt lag ausgestreckt auf dem Bett in Norrischs Bungalow. Sandra Herbst beugte sich über ihn, fühlte seinen Puls, leuchtete mit einer kleinen Lampe in seine Augen. Amendt jammerte ein wenig und wollte sich umdrehen. Doch sie hielt ihn fest. Aus ihrer Tasche nahm sie ein kleines, in Stoff gehülltes Röhrchen, zerbrach es und hielt es ihm unter die Nase. Ammoniakgeruch breitete sich aus. Amendt schüttelte sich. Sandra Herbst gab ihm ein paar Klapse auf die Wangen. Dann bedeutete sie Katharina, ihr zu helfen, ihn aufzusetzen.
»Ja, da war Schlafmittel drin.« Amendts Stimme klang
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