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African Queen

African Queen

Titel: African Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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ihre Haut, ihr Mund und ihre Nase diesen Zauber auszustrahlen, der alles ändert, und ich höre mich plötzlich sagen:
    «Das sind nur Pläne, Dede. Ich kann auch in Dakar bleiben. Oder wir reisen zusammen durchs Land.»
    «Du willst mit mir durch Senegal reisen?»
    «Warum nicht?»
    «In die Casamance?»
    «Warum nicht?»
    «Wie lange?»
    «Vielleicht ’ne Woche.»
    Was rede ich da? Bin ich das? Und wenn ja, was ist mit mir los? Betrunken? Bekifft? Malaria? Tritt auf die Bremse, Bengel, würde mein Vater sagen. Aber mit Bleifuß.
    «Dann muss ich morgen mit meinem Trainer sprechen», sagt Dede.
    «Nein, warte damit noch drei Tage.»
    «Warum?»
    «Weil man wichtigen Entscheidungen drei Tage Zeit geben soll.»
    Ich gehe allein in mein Hotel zurück, natürlich, ich bin ja nicht bekloppt, aber ich liege noch lange wach auf dem Bett. Die Matratze fühlt sich wie eine Wolke an, und ich will das ausnutzen, nicht verschlafen, ich will noch ein wenig die Freiheit genießen, unverbindlich, denn es ist nicht möglich, dass ich mich in Dede verknallt habe, das weiß ich genau, das ist ein Unfall, ein kleiner Unfall, im Grunde nur eine Stimmung, das ist morgen wieder vorbei. Und ich werde ganz sicher nicht in drei Tagen mit ihr irgendwo hinreisen, und bleiben werde ich auch nicht. Nur jetzt, nur heute Nacht lasse ich es zu, dass mich Hormone durchfluten, aus Versehen, nach dem Aufwachen murkse ich sie ab. So bin ich drauf. Wie ein Alkoholiker, der vor dem Entzug noch ein paar Gläschen trinkt.

    Der nächste Tag verläuft zunächst wie geplant. Ich wache auf und bin nicht mehr in Dede verliebt. Wie schön. Lisa ist in meinem Herzen, und sie ist da allein und frohgemut. Dede tut mir nur noch ein bisschen leid. Während des Frühstücks checke ich Facebook. Der Lufthansa-Kapitän schreibt noch mal. In zwei Tagen ist er in Dakar. Nächste Mail. Sie ist von einem alten Kumpel aus Heidelberg. Er heißt Dirk Engels, und er war Tennislehrer und Animateur im Club Aldiana, Senegal, bis die deutsche Geschäftsleitung den Diebstahl von – zum Beispiel – hundert Löffeln pro Tag seitens der senegalesischen Mitarbeiter nicht mehr länger hinnehmen wollte und den Laden dichtmachte. Aber es waren immerhin zehn Jahre, und er hat mit siebzehn dort angefangen. Dirk tanzt wie ein Senegalese, er spricht Wolof, er trommelt wie sie. Er kennt sich aus. Deshalb hatte ich ihm gestern Nacht vor dem Einschlafen noch eine Brandmail zum Thema Dede geschickt, und hier ist die Antwort. Ich zögere ein wenig, die Mail zu lesen, weil ich mich inzwischen für meine Verwirrung schäme. Tennislehrer in All-inclusive-Clubs sind coole Brocken. Die hängen die Höschen der Frauen, mit denen sie im Bett sind, von außen über die Türklinke. Das heißt: besetzt. Zwei Reaktionen fürchte ich. Die erste: Dirk lacht mich aus. Die zweite: Er geht gefühlsduselig auf die Irrungen und Wirrungen ein, weil er glaubt, das einem Freund schuldig zu sein. Ich öffne die Mail und beginne zu lesen:

    «Finger weg, Helge … Wenn sie mit dir in die Casamance will, ist sie eine ‹Diola›. Nur zur Info: Die Casamance ist das Gebiet mit der stärksten Magie, den mächtigsten Naturgeistern und den meisten Zauberern und, wie soll ich sagen, Zauberinnen. Mein bester Freund kam da her, und wenn der mit seinen Talismanen (die Lederbeutel, die alle am Körper tragen) loslegte …
    … und viel Spaß weiterhin.
    Dirk»

    Eine Zauberin also, das würde ihre Ausstrahlung erklären, die mich bei unserem ersten Treffen so angezogen hat. Leider glaube ich nicht an Zauberei. Ich glaube auch nicht an den Weihnachtsmann oder den Teddybär. Ich glaube an die Biochemie, an die Neurologie und an die Philosophie. Trotzdem betrachte ich von nun an den ledernen Feuerzeughalter, der an einem Lederband um meinen Hals hängt, mit gemischten Gefühlen. Abnehmen will ich ihn trotzdem nicht. Er ist zu schön, um abergläubisch zu sein. Außerdem, ich sagte es schon, ich bin kuriert. Dede tut mir nur noch ein bisschen leid, und selbst dieses Bisschen beschließe ich auszuhungern. Ich habe grundsätzlich nichts gegen Mitleid, es ist kein negatives Gefühl, aber was Dede anlangt, erscheint mir jedes Gefühl fehl am Platz, außerdem gibt es noch eine Mail von Lisa.
    Diese zu öffnen fällt mir gerade nicht leicht, denn das Internet ist weniger kalt, als ich früher mal glaubte. Es ist fähig anzufassen, zu streicheln und zu küssen. Es hat Hände, Lippen, Gefühle. Nach all den unromantischen Handyjahren

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