Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
einigermaßen wirtschaftlich abgesichert ein Leben im minimalen Wohlstand versprächen. Darüber hinaus würde im modernen Uganda die Zustimmung der Eltern zu einer Eheschließung nahezu ausschließlich von finanziellen Interessen geleitet. Für uns Westler zumeist als für eine glückliche Ehe wichtig empfundene Eigenschaften wie Liebe, Seelenverwandtschaft oder auch nur gegenseitige Sympathie und übereinstimmende Zukunftspläne, erwähnte er mit keinem Wort.
Schon klar, auch in Deutschland bleiben Lebenspartnerschaften zwischen Menschen mit unterschiedlichem sozialen Hintergrund eher die Ausnahme. Liebe reicht meist nicht aus, um eine Neurochirurgin und einen Kraftfahrzeugmechatroniker zusammenzubringen. Trotzdem hatten die Ausführungen Sams für mich etwas Grundlegendes. Das bedingungslos im Vordergrund stehende Finanzielle war mir in dieser Ausschließlichkeit fremd. Ich wollte Sams Sicht der Dinge aber nicht zu sehr verallgemeinern. Mir war jedoch bewusst, dass die extreme wirtschaftliche Not bei einem Großteil der Bevölkerung generell nur sehr wenig Raum für Romanzen oder die andernorts zur Normalität zählenden zärtlichen Liebesbeziehungen zwischen den Geschlechtern ließ.
Das war natürlich keine nobelpreisverdächtig neue Erkenntnis. Sams Worte saßen trotzdem. Und das war genau das, was er wollte. Unser Mitleid. Übertrieb er deswegen vielleicht nicht doch ein wenig? Sicher gab es irgendwo ein übrig gebliebenes Bauernmädchen, das sich mit einem bettelarmen Schulabbrecher zufriedengeben würde. Aber eben nicht heute Nacht. Als es Sam juckte. Ich blieb hartnäckig – es blieb dabei, kein Ausflug ins Milieu. Jetzt schaltete Sam einen Gang zurück. Wenn schon keine Girls, dann eben nur ein bisschen Spaß. Statt Wein, Weib und Gesang nur Wein und Gesang. Ich weiß nicht mehr, welche Tricks ich auspackte, mit welch halblegalen Raffinessen ich mich seiner Versuche erwehrte, mich ausnehmen zu lassen, ohne zu grob zu werden. Denn eines war mir mittlerweile klar: Sams trostlose Vergangenheit und noch trostlosere Gegenwart hin oder her, ich sollte hier die Melkkuh sein, um von routinierten Fingerchen ausgepresst zu werden – von Sam, einer Handvoll Freudenmädchen und, im schlimmsten aller Fälle, ein paar schnell gefundenen neuen Freunden. Irgendwie muss ich bei Sam schließlich doch die richtigen Knöpfe gedrückt haben. Schmollend schien er endlich zu kapieren, dass mein weiches Herz von kaltem, rauem Granit ummantelt war, an dem er sich trotz hartnäckigen Knabberns die Zähne ausbiss. Nach einem letzten, von vornherein zum Scheitern verurteilten Anlauf kam er gottlob nicht mehr auf das Thema zu sprechen. Unter Hinweis auf seine vielen Jobs verabschiedete er sich schlussendlich – mit einem aufgesetzten Lächeln, aber in Freundschaft und mit einem angemessenen Trinkgeld in den Händen.
„We Are the Champions – my friend.“ Mein Handyalarm klingelte uns am nächsten Morgen noch bei völliger Dunkelheit aus den Schlafsäcken. Die Sieger hatten gerade noch Zeit, sich frisch zu machen und sich nach dem Zwiebelprinzip mit allem, was die Rucksäcke hergaben, einzumummeln. Denn Mollys dringendste Empfehlung lautete: warm anziehen. Wir befanden uns bereits auf über 2000 Meter Höhe und die Fahrt mit den Motos würde kalt werden. Unsere beiden Fahrer waren überraschend pünktlich. Nur wenige Minuten nach 05.00 Uhr knatterten sie mit ihren verbeulten, chinesischen Motorrädern auf den Platz vor unserem Guest House. Sie hatten sich wie zwei Straßenräuber zurechtgemacht: Die Kapuzen ihrer Plastikjacken zum Schutz gegen die Morgenkälte bis auf einen Spalt zwischen Augenbrauen und Unterlippe eng um die Gesichter gezogen, hießen sie uns mit einem breiten, verschwörerischen Grinsen willkommen. Michael und ich sahen einander an und konnten uns ein verhohlenes Lachen nicht verkneifen: Die beiden Wegelagerer waren uns auf Anhieb sympathisch. Nach dem obligatorischen Handshake sprangen wir jeweils als Sozius hinten auf und richteten uns ein. Sobald wir das im Morgengrauen nur widerstrebend erwachende Kisoro hinter uns gelassen hatten, steuerten wir auf die sich langsam vor dem Horizont abzeichnenden Vulkankegel zu.
Es war ein erhebendes Gefühl, dergestalt durch Afrika zu fahren. Ein Afrika, wie wir es uns immer erträumt hatten. Nur ein kurzes Stück hinter dem Ortsende verließen wir die einzige Verbindungsstraße zwischen Kisoro und dem Park, um über eine unbefestigte Piste einen Teil des Weges
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