Afrika, Meine Passion
sauber, und natürlich wird nur traditionelle afrikanische Küche angeboten. Ich bin sofort begeistert. Endlich bekomme ich wieder einmal ein Mittagessen auf afrikanische Art, das heißt, es wird mit den Fingern gegessen. Wir sind die einzigen Weißen und werden dementsprechend beäugt. Ich vertraue der Küche und es schmeckt herrlich. Am Ende meines Aufenthaltes in Nairobi werde ich sogar mit Überzeugung sagen, dass dies mein bestes Essen war, obwohl es im größten Slum Kenias serviert wurde.
Gestärkt begeben wir uns auf den Weg zu meiner letzten Interviewpartnerin, die wieder in einem anderen Bezirk des Kibera-Slums lebt, der sich Gatwekera nennt. Wir stapfen in den schwitzigen Gummistiefeln durch die Gassen, vorbei an unzähligen winkenden Kindern jeden Alters mit und ohne Schuluniform. Einige sitzen einfach auf der Erde und spielen miteinander. Viele dieser Kinder sind erkältet und haben daher immer eine verstopfte oder triefende Nase. Im Gegensatz zum Vormittag wimmelt es nun von den kleinen Bewohnern und ich vermute, dass die Schule für heute zu Ende ist.
Unter einem breiten Regenschirm sitzt ein Mann auf einem Pappkarton und repariert Schirme und Schuhe. Seine ausgestreckten Beine stecken in löchrigen Socken. Er macht einen zufriedenen Eindruck. Es ist immer wieder dasselbe Bild. Jeder versucht, mit seinem Geschick etwas Geld zu verdienen. Der eine flickt, der andere schleift und der nächste verkauft etwas. Man kann nicht behaupten, dass die Menschen nur herumsitzen und nichts tun.
Wir erreichen erneut die Eisenbahnlinie und gehen in die andere Richtung. Auch hier hat der Menschenstrom zugenommen. Nach etwa zwanzig Minuten verlassen wir die Gleise und steigen über die Böschung hinab. Schon von Weitem sehe ich die weißen Säcke, ordentlich in Reih und Glied aufgestellt. Das Gemüse lugt in verschieden Längen heraus. Kein Müllhaufen liegt in unmittelbarer Nähe. Im Moment arbeitet hier niemand. Es ist Mittagszeit und schlichtweg zu heiß. Ich balanciere über verschiedene Gräben, um nicht in das verschmutzte Wasser treten zu müssen. Wir biegen einmal links, einmal rechts ab, und schon weiß ich nicht mehr, wo wir uns befinden. Überall nur Wellblechhütten, die alle ähnlich aussehen. Auf einem Müllhaufen sitzt ein braunes Huhn und legt wohl gerade ein Ei. Neugierige Kinderaugen verfolgen uns bei jedem Schritt. An den vielen Wäscheleinen hängen Unmengen von bunten Kinderkleidern.
Wir gelangen auf einen schmalen Pfad mit Lehmhütten, vor denen ein Rinnsal mit schmutzigem Wasser dahinläuft. Der Pastor bleibt vor einer offenen Tür stehen und meldet uns mit einem Wortschwall an. Eine große, stämmige Frau mit zwei Kindern auf den Armen bittet uns einzutreten und stellt sich als Doreen vor. Das Zimmer ist etwas geräumiger als bei Anne und Irene. Es ist mit bunten, blumigen Tüchern unterteilt, und überall hängen Kleider über gespannten Drähten. Auf dem kleinen Tisch vor uns liegt auf einer gehäkelten Tischdecke ein einfaches Handy. Eigentlich verrückt, denke ich, wenn man ansonsten nicht viel zum Überleben hat. Diesmal setzen wir uns in richtige Holzsessel. Das eine Kleinkind schaut mich »Weiße« mit aufgerissenen Augen an und schreit plötzlich los. Es ist das erste Mal seit Stunden, dass ich ein Kind weinen höre. Das ist für mich in Afrika immer wieder ein Phänomen. Zwar wimmelt es überall von Kindern, doch Kindergeschrei hört man nur äußerst selten. Eine Nachbarin kommt und nimmt der Mutter das weinende Kind ab.
Doreen wirkt auf mich ganz anders als Anne oder Irene. Sie ist selbstbewusst, strotzt nur so vor Kraft und sieht zudem attraktiv aus. Sie ist 42 Jahre alt, HIV-positiv und verwitwet. Sieben Kindern hat sie das Leben geschenkt. In ihrem Gesicht fallen die hohen Backenknochen auf. Während des Erzählens bewegen sich ihre Augen flink. Die Haare sind kurz geschnitten und haben bereits einen grauen Schimmer. Ihr Mund ist sinnlich, und ich denke, sie kennt ihre Wirkung. Einen kranken Eindruck macht sie ganz und gar nicht, was sicher den Aidsmedikamenten zu verdanken ist. Sie stammt aus Bondo, nicht weit vom Lake Victoria. Geheiratet hat sie sehr früh, denn bereits mit 17 bekam sie ihre erste Tochter. Doreen spricht mit einer harten, festen Stimme. Wenn sie sich in Rage redet, könnte man meinen, sie streite mit jemandem.
Sie kam 2004 nach Nairobi in den Kibera-Slum und erzählt nun, wie es dazu kam: »Nachdem mein Mann im Februar 2004 gestorben ist, wusste ich nicht
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