Afrika, Meine Passion
zu. Für mich ist es nicht viel, für sie bedeutet es den Lohn für mehr als zwanzig Tage anstrengende Handwäsche. Wenn ich diese Frauen anhöre, ihre Situationen sehe und von ihren bescheidenen Träumen erfahre, werde ich ganz klein und schäme mich für die Tage, an denen ich in meinem satten Leben unzufrieden bin.
B ei unserem nächsten Aufenthalt in Nairobi fünf Monate später suchen Klaus und ich die »Gemüsesack-Frauen« ein weiteres Mal auf. Wieder begleiten uns Pater Elly und die Mitarbeiterinnen von Solidarités. Während wir uns mit mehrmaligem Überspringen von Abwasserkanälen und häufigem Ausweichen von Müllhalden zu Doreens Hütte durchkämpfen, erscheint mir Kibera noch schmutziger und stinkender als beim letzten Besuch.
Bei Doreen hat sich in der Zwischenzeit einiges getan, wie sie uns mit einem Leuchten in den Augen berichtet. Sie hat an einem mehrwöchigen Kurs teilgenommen, in dem sie gelernt hat, wie man mit Neugeborenen umgeht, chronisch kranke Menschen pflegt und mit den hygienischen Verhältnissen im Slum zurechtkommen kann. Das Gelernte gibt sie nun an andere weiter, was ihr viel Freude bereitet. Und ihr größter Wunsch, dass ihre Kinder einmal ein eigenes Dach über dem Kopf haben sollen, hat sich mittlerweile zumindest teilweise erfüllt. Sie hat ein kleines Grundstück in ihrer Heimat »auf Obamas Seite« bekommen. Jetzt ist sie damit beschäftigt, wann immer es geht, Geld zu sparen, damit sie ein bescheidenes Haus bauen kann. Das sei nicht einfach, erklärt sie, zumal sie noch dazu das Schulgeld für ihren begabten Sohn aufbringen müsse, damit er weiterhin die Sekundarschule besuchen kann.
»Aber ich hatte so viel Glück in den letzten Monaten, dass ich sicher bin, Gott wird auch für dieses Problem eine Lösung für mich finden«, meint sie mit großer Zuversicht.
E twas erschrocken bin ich, als ich Irene wiedersehe. Sie ist noch dünner geworden und ihr Schuluniformrock hängt ihr über die Hüfte. Ihr Gesicht und ihre Arme sind mit Pusteln übersät. Viele sind abgeheilt und haben kleine weiße Narben auf der dunklen Haut hinterlassen. Sie berichtet, dass sie in den letzten Wochen an ihrer HIV-Krankheit fast gestorben sei. Ihr Immunsystem sei zusammengebrochen. »Aber wie ihr seht, habe ich es geschafft. Mein neuestes Geschäft ist hier vor euch«, sagt sie und zeigt auf garende Maiskolben auf einem Kohleöfchen. Keck fordert sie uns auf, doch einige für 10 Schilling, also 10 Euro-Cent, das Stück zu kaufen, sie seien die besten weit und breit.
A nne treffen wir bei ihren Gemüsesäcken an, die sie nach wie vor liebevoll hegt und pflegt. Mit einem Lächeln, das aus ihrem tiefsten Inneren zu kommen scheint, bittet sie uns in ihre Hütte. In ihrem Leben hat sich seit unserem letzten Treffen nichts Wesentliches verändert.
Anrührend bei all diesen Frauen ist ihre immense Freude über unser Interesse an ihnen und ihrem Schicksal. Auf besonders bewegende Weise, die mir Tränen in die Augen treibt, bringt dieses Gefühl Anne zu Ausdruck:
»Ich hatte jahrelang keinen Besuch mehr, bis ihr im Februar gekommen seid, und seitdem war auch niemand mehr hier. Jetzt sitzt ihr wieder in meinem Haus und ich bin überglücklich. Ihr habt mir so viel Kraft und Energie gegeben, dass ich mit diesem Leben weitermachen kann. Es stärkt mich zu wissen, dass da draußen außerhalb des Slums Menschen sind, die sich für mich und mein Leben interessieren. Ihr schenkt mir Würde.«
Jamii Bora
Wo immer man mit Jamii Bora, einem Kleinkreditunternehmen, in Berührung kommt, empfangen einen die Menschen mit Gesang. Sei es im Office, im Bankbereich oder in den einzelnen Projekten. Es gehört einfach dazu, dass der Gast zur Begrüßung besungen und beklatscht wird. Automatisch wird man durch solch einen Empfang fröhlich gestimmt, und ich denke, dieses Ritual sollte bei uns in den Firmen ebenfalls eingeführt werden. Ich bin überzeugt, die Geschäftsabschlüsse würden sich erhöhen.
Wir sind im Begriff, den Hauptsitz von Jamii Bora zu betreten und werden von sechs singenden und klatschenden Frauen auf dem Parkplatz erwartet. Strahlend laufen sie neben uns her und weisen den Weg ins Gebäude. Drinnen komme ich aus dem Staunen nicht heraus. Wir befinden uns in einer großen Halle mit verschiedenen Tischen und Schaltern. Überall sitzen oder stehen Menschen und warten geduldig. Hier wird ein Formular ausgefüllt, dort ein Gespräch geführt. Es herrscht ein geschäftiges Treiben ohne Hektik. Alle
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