Afrika, Meine Passion
scheinen zufrieden zu sein. Die Kunden sind überwiegend weiblich.
Eine rundliche ältere Frau stellt sich als Susanne, die Geschäftsführerin, vor. Sie wird alles kompetent erläutern, bevor sie uns mit Ingrid, der Gründerin, sowie einigen der erfolgreichsten Kreditnehmer bekannt machen wird. Sie verspricht uns Geschichten, wie man sie nur aus Amerika kennt, in der Art »Vom Tellerwäscher zum Millionär«.
»1993 hat dieses Projekt mit bettelnden Straßenfrauen begonnen«, sagt sie, doch allzu viel möchte sie nicht verraten, da die Gründerin die Geschichte sicherlich selber erzählen wird. Sie möchte uns lediglich das System erklären.
»Diese Niederlassung besteht erst seit 2007 und umfasst allein 12.000 Mitglieder. Jamii Bora hat in ganz Kenia inzwischen 260.000 Mitglieder, die Sparer und Kreditnehmer sind. Es funktioniert ganz einfach: Fünf Personen müssen sich finden, die füreinander geradestehen, das heißt bürgen. Wenn diese fünf Leute gefunden und geprüft sind, können sie sich registrieren lassen. Nach zwei Wochen bekommt jeder eine Karte, auf der seine Daten vermerkt werden. Als Sicherheitscode wird sie mit einem Fingerabdruck versehen. Ohne diese Karte geht nichts. Ab jetzt kann gespart werden. Die Mindesteinlage beträgt umgerechnet 50 Euro-Cent pro Woche. Nach sechs Wochen kann zum ersten Mal das Doppelte vom angesparten Geld bezogen werden. Natürlich abzüglich der Zinsen, die aber wesentlich geringer sind als bei den Banken. Die erste Höchststufe beträgt 100 Euro. Hat jemand so viel angespart, bekommt er also 200 Euro. Ist dies wiederum abbezahlt, kann er sich für 400 Euro bewerben und so weiter. Gegen Unfälle, Krankheiten inklusive Spitalaufenthalt oder Tod wird eine Versicherung abgeschlossen, die zum Beispiel eine Mutter und vier Kinder absichert. Der Ehemann muss sich separat versichern und bezahlt sogar einen höheren Beitrag. Die meisten Kreditnehmer sind Frauen mit Kindern«, beendet Susanne ihre Ausführungen und weist darauf hin, dass Ingrid unsere Fragen später bestimmt ausführlicher beantworten wird.
Wieder beginnen die Frauen zu singen. Sie loben und preisen Jamii Bora, während sie uns nach oben begleiten, wo wir nun mit einigen erfolgreichen Kreditnehmern sprechen können, bis Ingrid, die »Mama«, wie sie hier liebevoll genannt wird, Zeit für uns hat.
An einem riesigen Tisch sitzen zwei junge Männer und eine etwas ältere Frau. Während ich die Männer nicht recht einordnen kann, da sie eher gelangweilt wirken, bin ich von der Frau sofort fasziniert. Sie hat ein kluges, gütiges Gesicht, das von einem weißen Turbantuch auf ihrem Kopf umrahmt wird. Ihre ganze Erscheinung ist afrikanisch und wirkt anmutig. Sie stellt sich als Joyce vor und es dauert nicht lange, bis sie ihre Geschichte zu erzählen beginnt.
Joyce – von der Straßenmutter zur erfolgreichen Geschäftsfrau
»Ich komme ursprünglich aus einer ländlichen Gegend im Rift Valley. Mein Mann und ich hatten ein kleines Haus auf einem Hektar Land mit Kühen, Ziegen, Schafen und Hühnern. Es war ein hartes, aber zufriedenes Leben mit unseren fünf Kindern – drei Mädchen und zwei Jungen. Doch dann begannen die großen Unruhen im Jahr 1992. Wir sind Kikuyu und damals wurde ein fürchterlicher Krieg gegen uns geführt. Wochenlang wurde geraubt, gestohlen, vergewaltigt und Hab und Gut verbrannt.
Überall herrschte ein einziges Chaos. Voller Panik packte ich meine Kinder und lief los, um mich irgendwie nach Nairobi durchzukämpfen. Meinen Mann habe ich in dem Durcheinander verloren. Vielen erging es so. Bei diesen Auseinandersetzungen starben 7.000 Menschen und 250.000 flüchteten irgendwohin.
Zuerst lebte ich mit den Kindern in Nairobi auf der Straße. Von einem Tag auf den anderen hatte ich nichts mehr zu essen und kannte niemanden. Die ersten Wochen mussten wir betteln gehen. Doch Gott war gut zu mir. Nach kurzer Zeit begegnete ich Elisabeth, die ebenfalls aus unserem ehemaligen Dorf geflohen ist. Sie arbeitete in einem nahe gelegenen Wald und bewohnte mit ihren Kindern ein größeres Zimmer, in dem sie uns alle auch noch aufnahm. Der Wald wurde gerodet und kultiviert. Ich bot mich als Arbeitskraft an, da ich ja eine Farmersfrau bin. Elisabeth besorgte mir eine Handsichel, eine sogenannte Panga, und eine Hacke. In den kommenden Monaten bearbeitete ich damit das Busch- und Waldgebiet. Insgesamt rodete ich mit meinen Händen fast einen Hektar Land«, erzählt sie ruhig und lächelnd in ihrem bescheidenen
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