Afrika, Meine Passion
konnte es nicht glauben, dass sie mir und meinen Kindern diese Scheine verweigerte. Damit hätten wir in die Shops gehen und sechs Kilo Maismehl, Fett und andere lebenswichtige Nahrungsmittel bekommen können. Ich kehrte zurück und mir blieb nichts anderes übrig als zu beten. Einige Tage später war dann unser Quartier an der Reihe, und diesmal bekam ich die Berechtigungsscheine. Es war für mich eine Genugtuung, dass dieselbe Frau, die mir ein paar Tage zuvor die Gutscheine verweigert hatte, sie mir jetzt aushändigen musste.
Ja, das war meine erste Begegnung mit Solidarités. Von den berühmten ›Sack Gardens‹ wusste ich damals noch nichts. Einige Wochen später besuchte mich ein Mann von Solidarités und erzählte mir davon. Er lud mich zu den wöchentlichen Treffen ein, damit ich mehr darüber erfahren könne. Ich war begeistert, und mit dem nächsten Geld, das ich mit dem Waschen verdiente, kaufte ich mir leere Säcke, das Stück für zehn Schilling, und begann, Erde und Steine aufzufüllen. Als ich alles bereit hatte, bekam ich die Setzlinge. Seit diesem Tag hat sich mein Leben sehr verändert. Vorher saß ich zu Hause, obwohl ich gerne arbeiten wollte. Es war aber leider nur unregelmäßig möglich. Jetzt habe ich zusätzlich zu den Waschjobs ein sicheres Einkommen. Ich habe für uns selbst Gemüse und kann für etwa 300 Schilling pro Woche verkaufen. Da ich hart arbeite, darf ich auch beim Hühnerprojekt mitmachen. Also habe ich auch eigene Hühner und Eier.«
Während sie dies mit Genugtuung berichtet, greift sie unter ihr Bett und zieht ein mit Sand gefülltes Waschbecken hervor, in dem ein brütendes Huhn über mehreren Eiern sitzt. Wir alle sind überrascht und lachen lauthals los.
Die Mitarbeiterin von Solidarités ergänzt: »Ja, wir geben erfolgreichen Arbeiterinnen sechs Hühner und einen Hahn, damit beginnen sie die Zucht.« Sie erkundigt sich, wo denn die anderen Hühner sind. Doreen gesteht schmunzelnd: »Oh, mir ist zu Weihnachten ein Missgeschick passiert. Ich wollte nach langer Zeit meinen Kindern wieder einmal mit einem besonderen Essen eine Freude bereiten. Da ein Huhn aber 1.000 Schilling kostet, was so viel ist wie die halbe Hausmiete, dachte ich mir, ich schlachte eines meiner Hühner. Das würde sicher bald wieder ersetzt sein. Also fing ich ein Huhn ein und drehte ihm den Hals um, merkte aber zu spät, dass es der Hahn war.« Wieder brechen wir in schallendes Gelächter aus. Doreen hat in jedem Fall eine Gabe, witzig zu erzählen. Was mich jedoch wundert, ist, dass ein Huhn umgerechnet fast 10 Euro kostet. Wenn man bedenkt, zu welchen Spottpreisen wir in Europa wegen der hohen Subventionen Hühnerfleisch kaufen können, kommt einem das ziemlich seltsam vor.
»Aber«, fügt sie hinzu, »den Kindern hat das Weihnachtsessen gut geschmeckt!«
Draußen höre ich Nachbarinnen diskutieren und wieder ein Kind schreien. Ein Flieger brummt über die Dächer, der Flughafen ist nicht allzu weit entfernt. Bevor wir gehen, will ich Doreen noch fragen, ob die Nachbarn und ihre Kinder über ihre Krankheit Bescheid wissen. Da wird ihre Stimme fast laut und sie erklärt energisch: »Ja, natürlich spreche ich offen darüber, alles andere wäre nur zusätzlicher Stress. Ich gehe damit realistisch um und muss dem Leben ins Gesicht schauen. Viele verstecken sich, ich aber mache es umgekehrt. Ich sage zu meinen Nachbarn, wenn sie mir eine Cola oder ein Bier schenken möchten, dass sie lieber Milch vorbeibringen sollen, weil mir das besser bekommt. Wenn man Medikamente nimmt, muss man die Regeln einhalten, dann geht es gut. Meine Kinder konfrontiere ich auch damit. Alles andere nützt ihnen nichts. Ich ermahne sie, hart und gut in der Schule zu arbeiten, damit sie einander einmal helfen können, wenn ich nicht mehr da bin. Sie haben es bereits in ihren Köpfen, dass sie in der Schule gut sein müssen. Das ist eben mein Weg – Doreens Weg.
Solange es Solidarités gibt, sehe ich keine Grenzen für meine Möglichkeiten. Ich kann noch mehr Säcke bepflanzen und viele Hühner züchten. Auch würde ich gerne die dritte Phase erreichen, die Kaninchenzucht. Leider ist der Platz hier im Slum sehr begrenzt, und deshalb habe ich nur einen Traum: dass ich es schaffe, ein kleines Stück eigenes Land zu erwerben, das meine Kinder und ich unser Zuhause nennen können«, erklärt sie zum Schluss.
Wir verlassen Doreen, und wie schon bei den vorhergehenden Interviewpartnerinnen stecke ich auch ihr eine Monatsmiete
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