Afrika, Meine Passion
das die sogenannten Vuvuzelas sind. Allein die paar Dinger um mich herum machen mich fast wahnsinnig. Ich kann mir vorstellen, dass nach einem WM-Spiel die Ohren gewackelt haben und der Schädel gebrummt hat.
Mathare United beginnt gut und ist in der ersten halben Stunde die bessere Mannschaft. Doch die Zuschauer sind eindeutig für die Gegner, den Gor Mahia FC, einen der zwei bekanntesten Clubs in Kenia. Der jetzige Premierminister ist der prominenteste Anhänger. Die erste Torchance für Mathare ist da, und ich feure automatisch mit lauten Zurufen an. Es ist verrückt, wie schnell ich mitgerissen werde. Meine Sitznachbarn schauen mich etwas irritiert an, lächeln und tuscheln miteinander. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass wir auf der falschen Seite sitzen. Am Spielfeldrand flitzt ein Kameramann mit dem Kabelträger so schnell hin und her, dass Letzterer auch mal hinterhergezogen wird, was sehr komisch aussieht. Während ich weiter »meine« Mannschaft anfeuere, stürmt der Kameramann zu uns auf die Tribüne, filmt ein paar Zuschauer vor uns, bevor auch ich die Kamera keine zwanzig Zentimeter entfernt vor der Nase habe. Tage später werde ich im Mathare-Slum darauf angesprochen, dass man mich im Fernsehen gesehen hat.
Kurz vor der Halbzeit schießen die Gegner ein Tor, das aber wegen Abseits nicht anerkannt wird. Ein paar Sekunden später herrscht ein völliges Durcheinander und Handgemenge am Spielfeldrand, der wohlweislich von der Polizei bewacht wird. Die Fans wollen kein Abseits gesehen haben und fordern ihr Tor. Mein Nebenmann entschuldigt sich für den Vorfall und erklärt mir, dass dies der harte Fanclub sei, der schon mal über die Stränge schlagen kann. Die Polizei bringt alles wieder unter Kontrolle und das Spiel steht zur Halbzeit noch 0:0.
Wer sich nun vorstellt, die Pause sei eine Erholungsphase auch für die Fans, der kennt Afrika nicht. Etwa achtzig Männer beginnen zu singen und zu tanzen. Sie marschieren wie in einer Polonaise zwischen den Sitzreihen hin und her, blasen in die Vuvuzelas und singen mit Inbrunst. Die Energie strömt bis zu mir hoch und ich hoffe, es bleibt friedlich. Einmal gehen alle in die Knie, während sie die Arme um die Schultern der Nachbarn legen, dann schnellen sie in die Höhe, drehen sich nach rechts, salutieren mit der Hand zur Stirn und imitieren dabei einen Marschschritt. Es wirkt irgendwie komisch und ist für mich kaum mit Fußball in Verbindung zu bringen. Während wir belustigt staunen, entdecke ich Jecton auf der linken Seite der Tribüne. Er winkt uns zu sich. Freudig werden wir begrüßt und dann aufgeklärt, dass wir, wie schon vermutet, bei den Gegnern gesessen haben, was nicht ungefährlich sei. Er führt uns zu einer kleinen Haupttribüne und stellt uns Bob Munro vor. Das ist also der Gründer des mittlerweile größten afrikanischen Sportvereins, MYSA, aus dem wiederum 1994 dieser Proficlub entstand. Mathare United gab sich den Namen nach ihrem großen Vorbild Manchester United.
Bob begrüßt mich interessiert und herzlich. Er ist ein großer schlanker Mann. Hinter der randlosen Brille verfolgen kluge, wache Augen das Geschehen. Wir stellen uns vor und nach kurzer Zeit sind wir in ein angeregtes Gespräch vertieft, das bis zum Wiederanpfiff des Spiels dauert. Ich erfahre, dass in wenigen Tagen das 24-jährige Jubiläum des Sportvereins gefeiert wird. Wir werden herzlich eingeladen und Bob garantiert mir zusätzlich einige spannende Gespräche. Es werden nicht nur Fußballspiele ausgetragen, sondern auch Musik und Fotoausstellungen angeboten, da auch künstlerische Tätigkeiten Bestandteil des MYSA-Programms sind. Gerne nehme ich die Einladung an und bin begeistert, welche Möglichkeiten mir zufliegen.
Die zweite Halbzeit beginnt, aber außer einigen nicht verwerteten Torchancen auf beiden Seiten passiert nichts mehr. Mir fällt auf, wie fair die Mathare-Spieler kämpfen, während ihre Gegner häufig grobe Fouls begehen. Ohnehin habe ich den Eindruck, dass der Schiedsrichter »meine« Mannschaft benachteiligt. Es bleibt beim Unentschieden und nach dem Abpfiff geht die Rangelei von vorne los. Wir nehmen einen sicheren Hinterausgang und verabreden uns mit Bob für den kommenden Samstag zum großen Fest. Tags darauf erfahre ich, dass die Rangelei doch noch zu Ausschreitungen geführt hat und deshalb beim Rückspiel keine Zuschauer zugelassen werden. Schade! Dennoch habe ich mein erstes Spiel genossen und freue mich auf die Interviews mit den
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