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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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Abfällen in der Straße fressen. Aber der Richter klärte ihn auf, es sei unislamisch, das Tier frei herumlaufen zu lassen. Deshalb trage er Mitschuld an dem Diebstahl. „Sie müssen die Ziege füttern und für ihre Gesundheit sorgen“, verkündete er mit jenem Funkeln in den Augen, das er bekam, wenn er ein besonders weises Urteil zu sprechen glaubte. „Wegen dieser Sorglosigkeit werde ich Sie bestrafen müssen.“
    Dann wurde eine alte Frau aufgerufen. Sie klagte gegen einen entfernten Verwandten, der ein geerbtes Haus für sie verkauft, ihr angeblich aber nie das Geld dafür gegeben hat. Der Verwandte, ein grauhaariger Mann, bestritt das nicht.
    „Sind Sie bei vollem Verstand?“, donnerte der Richter. „Sind Sie ein richtiger Muslim? Dann sollten Sie der Frau das Geld bezahlen.“ Der Mann brummelte nur immer: „Ja...Ja...Ja...“
    „ Das war vor zwei Jahren“, sagte mein Übersetzer. „Er hat die (umgerechnet) 1.000 Euro selbst gegessen.“
    „ Dann ist das kein zivilrechtliches Verfahren mehr“, entschied der Richter. Und dem Mann von der Kriminalpolizei befahl er: „Nehmen Sie den Mann gleich fest, und führen Sie ihn ab.“
    Hatte es sich bis zu dem alten Mann noch nicht herumgesprochen, dass der Richter in Gyadi Gyadi kurzen Prozess machte? Wieso blieb er nicht einfach zuhause? Dann hätte der Richter wie schon in ein paar anderen Verfahren zuvor vertagen müssen.
    Am Nachmittag kam sogar ein Geschäftsmann ins Gericht, der extra aus Lagos, fast 1.000 km südlich von Kano, hierher gepilgert war. Ein Freund riet ihm zu diesem Richter zu gehen, erzählte er mir. Der sei unbestechlich und gerecht.
    Angeblich hatte ihn ein Geschäftspartner vor fast zwei Jahren um 75.000 Euro betrogen. „Aber er hat die Polizei bestochen. Deshalb wurde er nie angeklagt“, sagte der Geschäftsmann. Und der Übersetzer fügte mit einem Schmunzeln hinzu: „Ja, ja, Lagos!“
    Am Ende des Verhandlungstages hörte sich der Richter im Hinterzimmer den Fall des Geschäftsmannes an. Er fühlte sich geehrt, dass sich sein Ruhm schon soweit herumgesprochen hat. Bei der Schilderung des Falles schmunzelte er goutierend wie jemand, der einen guten Wein erkennt, wenn er ihn trinkt.
    Aber der Geschäftsmann musste erst noch einmal mit seinen Unterlagen wiederkommen, die den Betrug bewiesen, bevor der Richter entscheiden wollte, ob er den Fall annehmen wird.
    In den Erbschaftsfall gegen den alten Mann platzte auf einmal die Hisba herein. Eine Ziege blökte, und drei Männer in den leuchtend grünen Ponchos der Miliz führten einen barfüßigen jungen Mann in schmutziger Hose und zerrissenem T-Shirt in den Saal. Mit der gestohlenen Ziege hatten sie ihn gestern Nacht in Tukuntawa, einem weder besonders armen noch besonders reichen Viertel im Süden Kanos, aufgegriffen. Das erklärte mir später Bala Auwalu, der Chef der Hisba in Tukuntawa.
    Die Hisba (Arabisch = die Gruppe) ist eine Freiwilligenmiliz, die sich mit der Einführung der Scharia in allen Vierteln von Kano gebildet hat. An ihr beteiligen sich vor allem junge Männer. Sie laufen jede Nacht Streife, „geben den Männern des Viertels einen Ratschlag, die sich mit Frauen in dunklen Ecken treffen“ und bringen Verdächtige zur Polizei.
    Aber sie sind in Kano in den vergangenen Monaten auch schon oft über das Ziel hinausgeschossen, haben Hotels niedergebrannt, die Alkohol verkaufen, Bierlaster angezündet und auf den Straßen randaliert.
    Die Hisba von Tukuntawa ist besonders aktiv. Die Männer haben schon oft Verdächtige direkt ins Gericht von Gyadi Gyadi gebracht, und einige von ihnen bleiben hier den ganzen Tag, um aufzupassen, „dass alles mit rechten Dingen zugeht.“
    Ihr Chef Bala Auwalu ist einundvierzig Jahre alt und ausgebildeter Lehrer. Er arbeitet bei der Stadtverwaltung, aber mir erschien er leicht paranoid.
    An vielen Minibussen und Motorradtaxis in Kano hingen Aufkleber mit dem Konterfei von Osama Bin Laden. Das war vor dem 11. September 2001, aber nach den Anschlägen auf die US-Botschaften in Tansania und Kenia, von denen sich Bin Laden in äußerst ambivalenten Worten distanziert hat. Immerhin wurden dabei über 250 Menschen, vor allem Kenianer, getötet.
    Bei Auwalu hing Bin Laden im Schlafzimmer unter einem Schild mit der Aufschrift „Alle Macht gehört Gott“. Auwalu betete für Bin Laden, sagte er mir, „weil die USA ihn verfolgen, und er im Augenblick durch eine schwere Phase in seinem Leben geht. Das kenne ich.“ Aber Bin Laden sei ein guter

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