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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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jedoch nicht mehr länger neben dem Richter auf dem Sofa sitzen und mit ihm plaudern, als ob nichts gewesen wäre. Die Leichtigkeit, mit der er Tonfall und Stimmung wechselte, war mir unheimlich, und dass man nie sicher sein konnte, er würde im nächsten Augenblick nicht wieder losbrüllen, machte mir Angst.
    Ich wollte weg. Doch so einfach ließ er mich nun nicht mehr gehen. Noch an seinem Auto gab er mir immer wieder die besten Wünsche mit auf den Weg, und ich wünschte ihm nur das Allerbeste zurück. Am liebsten wäre ich davongelaufen.
    Aus dem Richteramt, einer der wichtigsten und delikatesten Aufgaben der menschlichen Gesellschaft, aus jemandem, der die Waage in die eine oder andere Richtung tippt, um ein Unrecht wieder gut zu machen und den Frieden zwischen den Parteien wieder herzustellen, hatte er einen generelleren Züchtiger gemacht, der gegen alles wütete, das nicht in seinem Buch stand.
    Mich schauderte bei dem Gedanken, dass er jemanden für einen bewaffneten Raubmord kreuzigen und verheiratete Frauen und Männer für einen Ehebruch steinigen lassen konnte. Und das nach einem Hau-Ruck-Verfahren, wie ich sie gesehen hatte.
    Aber vor allem wollte ich keine Höflichkeiten mehr mit ihm austauschen, weil ich sah, wie er bei der Auspeitschung der von ihm Verurteilten reagiert hat. Das Urteil wurde unmittelbar nach dem Ende der Verfahren vollzogen.
    Bevor es losging, redete ich noch mit einem Anwalt aus dem Süden im Gerichtssaal und bemerkte gar nicht, dass Richter und Verurteilte sich schon auf dem Treppenabsatz vor dem Gericht aufgestellt hatten. Der Richter ließ mich rufen und sagte zu mir, als ob mich nun etwas Auserlesenes erwartet: „Haben Sie so etwas schon einmal gesehen?“
    Die Angeklagten mussten einer nach dem anderen ihr Hemd ausziehen und sich auf dem Bauch auf den Boden legen. Die achtzig Hiebe verabreichte ihnen der Gerichtsdiener, weil das Justizministerium noch keinen anderen dafür angestellt hat. Die Beteiligten an den Verfahren und ein paar Schaulustige schauten zu. Fast alle hatten betretene Gesichter, und manche drehten sich sogar abgestoßen weg.
    Nur der Richter fiel aus der Reihe. Er hatte sich wieder seine Lammfellmütze aufgesetzt und sich eine verspiegelte Sonnenbrille geholt. Breitbeinig und mit erhobenem Kopf stand er da und überwachte die Auspeitschung. Und nach dem ersten Angeklagten gab er dem Gerichtsdiener ein Zeichen, nicht so lasch zuzuschlagen.
    Der Gerichtsdiener war spindeldürr und über zwei Meter groß. Wegen seiner vorstehenden Zähne und seinem Überbiss wirkte er gutmütig und ein bisschen dämlich. Nachdem er die acht Männer ausgepeitscht hatte, sah ich ihn wieder ungerührt mit seinem harmlosen Gesichtsausdruck Akten durchs Gericht schleppen.
    Die Hiebe setzte er regelmäßig – einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig - und mit Seelenruhe einen neben den anderen, schön auf den Rücken der Verurteilten verteilt, offenbar damit ihre Haut nicht aufplatzte, und sie zu bluten begannen. Er benutzte eine Peitsche aus geflochtenen Lederschnüren, etwas länger als eine Reitgerte. Und er schlug mit erhobenem Arm, aber nicht mit dem letzten Abknicken des Handgelenkes.
    Trotzdem taten die Hiebe den Angeklagten sehr weh. Sie schienen Qualen zu durchleben, wie sie selbst in dieser kurzen Zeit nur sehr schwer zu ertragen waren. Sie wanden sich unter der Peitsche wie ein an Land geworfener Fisch, hielten sich mit den Händen die Augen zu, rauften sich die Haare und verdrehten ihre Füße in so unnatürliche Positionen, wie ich sie bis dahin noch nicht gesehen habe.
    Aber das Schlimmste, hatte mir Ahmed in Karthum erzählt, waren nicht die Schmerzen, sondern die Erniedrigung, dass das alles vor den Augen von Zuschauern geschah.
    Ein paar Tage zuvor habe ich im nigerianischen Fernsehen als Pausenfüller zwischen zwei Sendungen einen traditionellen Tanz der Hausa gesehen. Er kam mir völlig unnatürlich vor und leidenschaftslos. Die Tänzer wedelten ein bisschen mit den Händen und wackelten ein bisschen mit dem Hintern. Das war kein Tanz, zumindest kein afrikanischer.
    Dagegen tanzten diese Männer wirklich mit Leidenschaft, und der Gerichtsdiener war ihr Tanzlehrer, der etwas gelangweilt – ssst, ssst, ssst – den Takt vorgab.
    Diese Männer tanzten, weil sie nicht anders konnten, und sie drückten wirklich aus, was sie fühlten. Nun gab es kein Vorspielen mehr.
    Ich habe noch nie so einen authentischen Tanz gesehen. Die Männer tanzten den Scharia-Cha Cha. Ob

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