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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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sein. Gerettet. Jetzt aber bin ich verflucht, mir ist das Vaterland zuwider.“
    So schrieb der französische Dichter Arthur Rimbaud 1873 in seinem fulminanten Prosagedicht „Eine Zeit in der Hölle“ - und genau so ist es später in seinem Leben auch gekommen. Er verließ Europa. Er füllte seine Lungen mit Seeluft. Er lebte in heißen Ländern, und er kam schließlich zurück mit Gold, mit dunkler Haut, als Krüppel und musste von einer Frau gepflegt werden.
    Waren diese Übereinstimmungen zwischen Biographie und Programm nur Zufall oder hatte der damals 19-jährige den Verlauf seines Lebens vorausgeplant oder gar vorausgeahnt?
    Ein bisschen von beidem wahrscheinlich, aber was sich für Rimbaud in „Eine Zeit in der Hölle“ so leicht dahingeschrieben hat, erwies sich in der Realität als allzu optimistisch. Wie viel Mühsal und Verzweiflung, wie viele Zusammenbrüche und Enttäuschungen und vor allem welche Verwandlungen das Leben in diesen „heißen Ländern“ von ihm verlangen würde, hat der 19-jährige nicht auch nur im geringsten geahnt.
    Ursprünglich hat „Eine Zeit in der Hölle“ den Titel „Negerbuch“ oder „Heidenbuch“ tragen sollen. Der Text geriet Rimbaud auch zu einem Fluch auf alles, was die europäische Zivilisation ausmacht, das Christentum, die Wissenschaft, die Moral. „Am schlauesten ist, diesen Kontinent zu verlassen, wo der Wahnsinn umherschleicht.“ Hier, um den jungen Rimbaud, war alles von Grund auf verdorben. Aber die „heißen“ Länder hatten es besser: „Ich habe keinen Sinn für Moral, ich bin ein Barbar, ihr irrt euch... Ja, meine Augen sind euerm Licht verschlossen. Ich bin ein Tier, ein Neger. Aber ich kann gerettet werden.“
    Deshalb musste Rimbaud in diese heißen Länder fahren. Wenn er dort doch all das abwerfen konnte, wenn dort doch die Rettung auf ihn wartete. Wie konnte der 19-jährige wissen, dass man nicht dort hinfahren sollte, nur weil man nicht hier sein will. Weil man das Hier-Gefühl nie loswird. Weil, wenn man erst dort ist, was früher dort war, schon lange zum hier geworden ist und das hier zum dort.
    Aber was kümmerte das Rimbaud. Das „dort“ war ihm fremd. Er wusste nichts darüber, außer dass es anders sein musste als hier, und so konnte es gut sein, musste es wahrscheinlich sogar. So konnte er alles mögliche hineinprojizieren, und er wählte die Projektion vom edlen, nicht von der Zivilisation verdorbenen Wilden. Er hätte auch eine andere wählen können. Aber er wählte, und das ist es, was den Fall dieses so schrulligen und unkonventionellen Menschen so typisch macht.
    Schon im Alter, in dem andere Jungen parfümierte Briefe und blonde Löckchen im Kopf haben, war Rimbaud die Welt zu eng. Wofür andere bestimmt drei Leben gebraucht hätten, benötigte er nur ein halbes. Er lebte ständig am Anschlag, durchmachte alles in seinem Leben in so kurzer Zeit.
    Schon als fünfzehnjähriger brach er dreimal kurz hintereinander aus der Provinzialität seiner nordfranzösischen Heimatstadt aus, wanderte nach Paris und Brüssel, und konnte nur von seinem Lehrer wieder eingefangen werden.
    An Schule war danach nicht mehr zu denken. Er ging nach Paris und wurde dort zusammen mit seinem Dichterfreund und Geliebten Paul Verlaine das Skandalpaar der literarischen Avantgarde. Nach der Niederschlagung der Commune gingen beide zusammen nach London, und nachdem Verlaine mit einer Pistole auf Rimbaud geschossen und ihn am Arm verletzt hatte, wieder zurück nach Frankreich.
    Mit sechzehn schrieb Rimbaud seine heute gefeierte Lyrik, mit neunzehn das zum Kanon der Weltliteratur gehörende Prosagedicht „Eine Zeit in der Hölle“. Aber mit zwanzig hatte er die Literatur schon wieder aufgegeben.
    Zu seinem Jugendfreund Ernest Delahaye sagte er mit leichter Abscheu: „An so etwas denke ich nicht mehr.” Also begab er sich wieder auf die Wanderschaft: Stuttgart, Mailand, Stockholm, München, meistens zu Fuß, meistens im Sommer. Im Winter blieb er in Charleville, seinem Heimatstädtchen in den Ardennen, um sich von den körperlichen Strapazen des Sommers zu erholen.
    Für Verlaine war er „der Mann mit den Sohlen aus Wind“. Rimbaud dagegen sah sich als „ein französischer Gentleman, hohe gesellschaftliche Stellung, ausgezeichnete Bildung“, der in der Londoner „The Times“ eine Anstellung als „Privatsekretär und Reisebegleiter“ suchte.
    Nun wollte Rimbaud wirklich weg. Deshalb begann er ernsthaft mit der Umsetzung seines Programms. Er heuerte

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