Afrika Quer (German Edition)
als Söldner an in der niederländischen Kolonialarmee, desertierte aber schon wieder nach zwei Wochen auf Sumatra, fuhr auf gut Glück nach Alexandria, bekam einen Job auf Zypern als Vorarbeiter und landete schließlich in Aden, an der Südspitze der arabischen Halbinsel.
Dort bekam er eine Anstellung als Mitarbeiter einer französischen Handelsgesellschaft. Sie importierte vor allem Kaffee nach Europa, aber auch Felle, Gummi Arabicum und Straußenfedern und brachte den Einheimischen dafür Stoffe. Dass Rimbaud sich bald als ihr Vertreter nach Harar versetzen ließ, war Zufall, und dass er dort, im Südosten des heutigen Äthiopien, schließlich seine „heißen Länder“ fand, ebenso. Genauso gut hätte er auf Sansibar, in Panama, Indien, China oder Japan landen können, jenen Orten, nach denen er sich immer gesehnt hat und von denen er in seinen Briefen aus Harar schrieb, wenn er wieder einmal nicht hier/dort sein wollte.
Aber er blieb. Zwischen 1880 und 1891 insgesamt fünf Jahre. Die andere Zeit war er in Aden, im Hauptsitz seiner Handelsgesellschaft, oder er organisierte eine Karawane mit Gewehren von der Küste in die damalige äthiopische Hauptstadt Ankober.
Schon vom Tod gezeichnet kehrte er mit siebenunddreißig Jahren zum ersten Mal wieder nach Frankreich zurück und starb dort vereinsamt und von der Welt vergessen.
Während Rimbaud in Deutschland als interessanter französischer Lyriker gilt, ist er im französischen und angelsächsischen Raum eine Ikone. Quasi die gesamte französische Moderne sah in dem Verkünder der „freien Freiheit“ einen Vorreiter, und für Bob Dylan oder Jim Morrison war er ein Geistesverwandter, der das lebte, wonach sie sich immer gesehnt hatten.
Hätte Arthur Rimbaud einhundert Jahre später gelebt, wäre er möglicherweise wirklich Rockstar geworden oder ein intellektueller James Dean, der sich dem Betrieb konsequent verweigerte, als er begann, berühmt zu werden. Denn als zu Rimbauds Lebzeiten seine Lyrik schon die Sensation der Pariser Literarischen Salons geworden war, wusste niemand, wo er war. Seinen Freunden und Geschäftspartnern in Aden und Harar hat er kein Wort erzählt über sein erstes Leben als Dichter, und Briefe von Journalisten, die sich nach ihm erkundigten, beantwortete er nicht. Er galt als verschollen oder tot, und nachdem er dann wirklich schwer krank aus Harar in sein französisches Heimatstädtchen zurückgekehrt war, stand keiner an seinem Grab außer seiner Mutter, seiner Schwester und dem Pfarrer.
Das sind die Gründe, warum für jeden etwas drinsteckt in diesem kurzen, aber immer in der Nähe des Abgrundes geführten Lebens. Rimbauds Rebellion gegen die Lauheit des bürgerlichen Daseins, seine Rastlosigkeit, sein Hunger nach einem Leben, das lebbar ist, und seine konsequente Verweigerung, sich anzupassen, machen ihn geradezu prädestiniert für eine Symbolgestalt, die man hervorholen kann, wenn es darum geht zu belegen, dass es noch etwas gibt außer dem gepflegtem Vorgarten, dem Rentensparplan und jährlich zwei Wochen Mallorca.
Das war der Stand der Dinge, als ich nach Harar kam, um nach Rimbauds Spuren zu suchen. Das Städtchen ist schön gelegen, auf der südlichen Flanke des ostafrikanischen Grabenbruchs, auf einem Hochplateau, 1.800 Meter über dem Meeresspiegel. Es hat ein erträgliches Klima und eine fruchtbare Umgebung, aber mit dem Ort aus der Zeit Rimbauds hat das heutige Harar so gut wie nichts mehr zu tun.
Obwohl es nach Mekka, Medina und Kairo immer noch als viertheiligste Stadt des Islam gilt, müssen die Besucher auf Harars moslemische Vergangenheit hingewiesen werden. Angeblich hat Harar 99 Moscheen, aber 99 ist eine symbolische Zahl im Islam. So viele Namen für Gott gibt es im Koran. Sonst sieht man noch die alten Stadttore, die engen Gässchen der Altstadt, die weißgetünchten Mauern und Häuser, aber ansonsten ist aus Harar ein ganz normales äthiopisches Provinzstädtchen geworden, mit Cafés und Bierkneipen und einem schummrigen Kino.
Als Rimbaud 1880 nach Harar kam, konnten Europäer die Stadt zum ersten Mal ohne Gefahr besuchen. Der erst Christ, der die Stadt betrat und heil wieder zurückkehrte, war der britische Orientalist Sir Richard Burton, sechsundzwanzig Jahre vorher. Damals war Harar noch eines der vielen souveränen arabischen Emirate an der ostafrikanischen Küste, das seit dem 12. Jahrhundert bestand und vom Handel mit Sklaven, Kaffee und der Kontrolle der Karawanenrouten zwischen der Küste und dem
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