Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Afrika Saga 02 - Feuerwind

Afrika Saga 02 - Feuerwind

Titel: Afrika Saga 02 - Feuerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
bringen. Sie trank in langsamen Schlucken, versuchte, sich dabei ins Gedächtnis zu rufen, was sie vom Leben erwartet hatte.
    Ausziehen wollte ich und mein Glück suchen, entsann sie sich.
    Damals war ich noch klein, war noch nicht zwischen die Mühlsteine des Lebens geraten, habe gewusst, wie es aussehen würde. Aber was wäre heute Glück? Sollte sie sich glücklich schätzen, allein weil sie und die, die sie liebte, Afrika überlebt hatten?
    »Jenseits des Horizonts wirst du es finden, es wird funkeln und schimmern, und dein Herz wird singen«, hörte sie ihren Vater sagen.
    Er hatte das Glück gemeint.
    Hatte sie diesen funkelnden Schatz je gefunden? Oder hatte sie den Horizont nie erreicht? Ihre Gedanken hüpften über die Oberfläche ihrer Erinnerungen wie ein flacher Stein, der übers Wasser springt.
    Doch, dachte sie, doch, es hat gefunkelt. Als Johann zu ihr zurückkehrte, als sie ihn schon seit Tagen tot glaubte und ihr Leben wie eine steinige Straße ins schwarze Nichts vor ihr lag. Auch später gab es hier und da Augenblicke - als die Kinder geboren wurden, Momente, in denen Johann und sie sich so nah waren, dass sie zu verschmelzen schienen, der Tag, als sie in der Kühle des afrikanischen Morgens der Welt beim Aufwachen zusahen und Viktorias süße Stimme vernahmen, die, vor Lebensfreude jubelnd, wie klingende Tropfen in der klaren Luft hing, ihnen eine Geschichte über das erzählte, was ihrem Kind als Wunder in dieser Welt erschien.
    Augenblicke wie goldene Blitze über der zornigen, kargen Landschaft Afrikas.
    Aber reichte das für ein ganzes Leben? Sie war dankbar für diese funkelnden Momente, dankbar, dass sie diese überhaupt erkannt hatte, denn die meisten Menschen waren in dieser Hinsicht blind. War es das, was das Leben ausmachte? Diese wenigen lichterfüllten Augenblicke, die die Dunkelheit der Jahre erhellten? Mechanisch führte sie ihre Tasse zum Mund, aber sie war leer.
    »Endlich, Annie kommt mit unserem Essen«, brach Johann in ihre Gedanken ein und räumte den unbenutzten Aschenbecher und sein Bierglas zur Seite. »Ich bin kurz vorm Verhungern.«
    Annie, genannt die schottische Annie, die allerdings keine Schottin war, die vollbusige, ständig gut gelaunte Aushilfe, die überall einsprang, wenn es eng wurde, und dadurch eine sehr beliebte Person in Durban war, bahnte sich mit ihrem Essen einen Weg zwischen den dicht gestellten Tischen hindurch. Die Teller waren hoch aufgehäuft mit zerkochten, in dunkelbrauner Soße schwimmenden Kartoffeln, matschigen Erbsen und einem großen, faserig wirkenden Bratenstück.
    Annie setzte die Teller vor ihnen ab. »Minzsoße gefällig?« Ohne abzuwarten, klatschte sie je einen großzügigen Klecks grünlichen Breis auf den Tellerrand, der Catherine fatal an einen Kuhfladen erinnerte. »Einen guten Tag wünsche ich, Mr und Mrs Steinach. Sie sehen müde aus, Schätzchen. Zu viel gearbeitet oder zu viel gefeiert?«
    Sie wischte sich die öligen Hände an der Schürze ab. Ihr fettes Lachen lief wie ein Beben durch ihren Körper.
    Johann grinste. »Sie wissen doch, dass meine Frau arbeitet und ich ihr dabei zusehe.«
    »Ich könnte jemanden gebrauchen, der mir beim Lobster Pott hilft«, sagte Catherine, einem plötzlichen Impuls folgend. Annie Block war als resolute, tatkräftige Frau mit robuster Gesundheit bekannt und sie hatte das gebärfähige Alter offenbar hinter sich, denn, nachdem sie jedes Jahr ein Kind zur Welt gebracht hatte, hatte sich seit zwei Jahren bei ihr nichts Kleines mehr eingestellt. 1873 waren sie und ihr Mann mit dem Emigrantenschiff von St. Helena zusammen mit mehreren Dutzend ihrer Landsleute in Durban eingetroffen. Ihre Passagen wurden von ihren zukünftigen Arbeitgebern bezahlt, und Annie fing bei einer wohlhabenden Dame in Pietermaritzburg als Haushaltshilfe an. Georg Block verdingte sich bei einem reichen Farmer in derselben Gegend. Drei Kinder hatten sie mitgebracht, drei weitere bekommen. Ihre Älteste führte den Haushalt und passte auf die Kleineren auf, sodass ihre Mutter sich um den Broterwerb kümmern konnte. Das hatte ihr Annie alles selbst erzählt.
    Jetzt stemmte Annie ihre kräftigen Arme in die Hüften. Lange sah sie Catherine an. Dann kratzte sie sich mit einem Löffel in den Haaren.
    »Lordy, Mrs Steinach, ich würd's ja gern machen, aber was würde mein Georgie anfangen, wenn ich ihn allein ließe? Verhungern würde er.«
    Und verdursten, dachte Catherine und stieß Johann unterm Tisch an. »Ich bin sicher, dass

Weitere Kostenlose Bücher