Afrika Saga 02 - Feuerwind
Essen ausgestattet, aber dafür musste sie heute fast den ganzen Tag backen und kochen, um ihre Vorräte aufzufüllen. Man wusste schließlich nie, wer hungrig an ihre Tür klopfen würde.
Nebenbei hatte sie im Garten die Erde für die Setzlinge vorbereitet, die ihr Mila mit einem Brief geschickt hatte, in dem sie Catherine schrieb, dass Pierre von einem hartnäckigen Frühlingsfieber und trockenem Husten geplagt wurde und sie ihren Besuch auf unbestimmte Zeit verschieben müsste.
»Es tut mir sehr Leid, aber du kennst Pierre«, hatte sie geschrieben.
»Er betrachtet Kranksein als persönliche Beleidigung und arbeitet doppelt so schwer, nur um sich zu beweisen, dass alles Einbildung ist. Ich gebe ihm alle drei Stunden einen Aufguss von deinem Schlaftee, seitdem ist er brav wie ein Kätzchen. Ich hoffe nur, dass er mir nicht auf die Schliche kommt.«
Catherine schmunzelte. Die gleiche Strategie wendete sie gelegentlich bei Johann an, wenn der zu unvernünftig mit seiner Gesundheit umging. Die Kombination aus Johanniskraut, der wilden Datura, ein paar zerdrückten Samen vom Hanf und Pfefferminze zähmte auch den stärksten Mann. Milas Setzlinge hatte sie in einen Eimer mit Wasser gestellt. Spätestens morgen mussten sie gepflanzt werden. Missmutig betrachtete sie ihre Hände. Ihre Nägel waren abgebrochen, und darunter hatte sich in der schrundigen Haut rostrote Erde festgesetzt. Afrikas Erde. Auch wenn sie schrubbte, bis das Blut kam, das Rostrot ließ sich nicht mehr entfernen. Es waren die Hände einer hart arbeitenden Frau. Die Hände einer Afrikanerin.
Natürlich halfen ihr Schilling und seine Brüder, aber sie war oft ungeduldig, vieles ging ihr zu langsam. Ihre Hände mochten afrikanisch sein, aber ihre europäische Ungeduld hatte sie auch in den vielen Jahren nicht ablegen können. Also hatte sie selbst gejätet, die Beete umgegraben, gehackt, gepflanzt und Wasser im Eimer vom Reservoir herangeschleppt, und heute spürte sie jeden Knochen. Sie weigerte sich zu akzeptieren, dass das ein Zeichen des nahenden Alters sein konnte. Alt wurden andere, sie nicht.
Eine Hand in ihren schmerzenden Rücken gestützt, ging sie ins Haus, um ihren verdreckten Hosenrock auszuziehen. In der Küche bearbeitete sie ihre Hände mit der Bürste, trocknete sie ab, rieb zerlassenes Hippopotamusfett in die rissige Haut, ordnete ihr Haar, das sie, zu einem dicken Zopf geflochten, am Hinterkopf aufgewickelt hatte, zog sich einen Rock über, weil ihr heute danach war, und holte sich ein Windlicht. Wenigstens für die Länge einer halben Kerze wollte sie noch lesen. Mila hatte ihr zusammen mit den Setzlingen den Roman Die Frau in Weißwon Wilkie Collins geschickt. Laut Mila sollte das Werk außerordentlieh spannend sein, und sie hoffte, dadurch ein wenig von ihrer Sorge um Johann abgelenkt zu werden.
Eigentlich galt es noch, die Vorhänge für die Gästezimmer zu säumen, aber für heute würde sie sich den Luxus von ein wenig Muße gönnen. Sie seufzte. Von Elizabeth Simmons, die gerade von einer Europareise zurückgekehrt war, hatte sie gehört, dass es dort jetzt Nähmaschinen gab. Kaum vorstellbar, wie die funktionierten, aber sie wünschte, sie besäße einen solchen Apparat. Als sie vor mehr als zwei Dekaden nach Afrika kam, glaubte sie, eine Zeitreise zurück ins Mittelalter gemacht zu haben, musste sie doch unter ebenso primitiven Umständen leben wie die Menschen in grauer Vorzeit. Alles mussten sie selbst herstellen, und als sie ihr mitgebrachtes Nähzeug verloren hatte, hatte sie mühselig eine Nadel entweder aus den Stacheln eines Stachelschweins oder einer kräftigen Fischgräte anfertigen müssen, benutzte in Ermangelung etwas Besseren als Faden entweder gewalkte Pflanzenfasern oder Fäden, die sie aus dem Innensaum ihrer Kleider zog.
Es hat sich nicht viel geändert, dachte sie, jedenfalls nicht auf Inqaba. In Durban legten immerhin Dampfschiffe an und brachten Dinge, die neu waren, und es gab stinkende Lokomotiven, die eine endlose Schlange von Waggons durch Natal zogen. Durchaus Verbesserungen, doch auf Inqaba hatten sie nichts davon. Inqaba hätte ebenso gut auf dem Mond liegen können.
Süßer Amatunguluduft wehte von den Büschen herüber, die sie selbst aus Ablegern von Inqaba gezogen hatte. Sie nahm sich vor, morgen nachzusehen, ob sie bereits Früchte trugen. Das Gelee aus Amatungulus war delikat. Johann liebte es. Sie stellte das Windlicht auf den Tisch. Petroleumlampen waren schon vor Jahrzehnten in der
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