Afrika Saga 02 - Feuerwind
Freiheit, der Regen ist sanft, der Wind säuselt, die Sonne ist blass. Es gibt überhaupt keine Extreme. Das hast du geschrieben, und dann bist du Wochen früher nach Hause gekommen.« Sie lächelte über ihre Schulter.
Er aber blieb ernst. »Hast du es nie satt? Sieh dir doch deinen Alltag an. Die meiste Zeit bist du allein, schuftest wie eine Sklavin von morgens bis abends, trägst Kleidung, die keine Magd in Europa anziehen würde. Welch ein Leben könntest du in Europa fuhren …
Kunst… Kultur … schöne Kleider …«
»Hör auf!« Mit einem Ruck hielt sie in ihrer Bewegung inne.
Unversehens wirbelten in ihrem Kopf Lichter, hörte sie Musik und gepflegtes Geplauder, das Rascheln von Seide und das erwartungsvolle Gemurmel vor einer Theaterpremiere, roch Parfüm und den Duft teurer Zigarren. Emotionen schössen in ihr hoch, versengten ihre Seele, füllten ihren Kopf, ließen ihr Herz jagen. Sie lehnte sich an die Wand und schloss die Lider. Die Anfälle gingen vorbei, das hatte sie gelernt, sie musste sie nur aushalten.
Sie öffnete die Augen und stieß sich von der Wand ab. »Inqaba ist mein Kosmos, meine Heimat, und ich habe den Lobster Pott. So ist es.« Sie durchschritt die Halle. »Nun komm herein und schau dir das Haus an.«
Er nahm ihren stocksteifen Rücken wahr, die zurückgenommenen Schultern, und ihm schössen vor Mitleid die Tränen in die Augen.
»Hoffentlich ist das Dach dicht«, murmelte er, hielt das Windlicht hoch und musterte die offen liegende Holzkonstruktion, unter der lange Bahnen von Kattun gespannt waren. »Habt ihr Ratten?«
»Vermutlich nicht, denn kürzlich hat mich eine Grüne Mamba besucht, die offenbar dort oben lebt und uns zumindest die Ratten und Mäuse vom Hals hält. Es war dunkel, und ich habe das Biest im Schein meiner Kerze erst so spät gesehen, dass ich fast drauf getreten wäre. Darauf hat Johann den Kattunstoff mit Leisten angenagelt, sodass sie keine Möglichkeit hat, ihren Besuch zu wiederholen.«
»Dann hoffe ich, dass kein Loch im Stoff ist.«
Sie zuckte die Achseln. »Jetzt muss ich mich sputen, sonst bekommst du heute nichts zu essen, und ich nehme an, du hast Hunger.«
»Wie ein Rudel ausgehungerter Hyänen. Ich schau mal, ob die Pferde abgerieben und gefüttert sind.« Damit drückte er sich den Hut auf den Kopf und verschwand im dichten Regen. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass seine Zulus gut untergebracht waren, hievte er sich die Satteltaschen auf den Rücken. Seine Mutter verschwand eben im Kochhaus.
Er deponierte seine Satteltaschen in der Wohnhalle, holte eine Flasche Wein heraus, lief, geduckt gegen den treibenden Regen, zum erleuchteten Eingang der Küche. Seine Mutter tauchte aus der Vorratskammer auf, trug einen Laib Brot unter den Arm geklemmt, in den Händen eine flache Schüssel mit einer Schweinskeule. Tika und Tika rannten miauend neben ihr her. Sie hatte ihn noch nicht bemerkt, und er beobachtete sie einen Augenblick. Sie sah erhitzt und gleichzeitig besorgt aus. Etwas schien sie sehr zu beschäftigen, denn ihr Blick war nach innen gekehrt, ihre Lippen fest zusammengepresst.
Vielleicht sollte er sie dazu bewegen, mit ihm nach Durban zu kommen. Er könnte sie ins Royal ausführen. Die letzte Safari war sehr einträglich gewesen, nicht nur, dass seine Gäste prompt und gut gezahlt hatten, sondern er hatte zwei Leopardenfelle, einige Antilopenhäute und die Haut eines besonders großen Krokodils erbeutet, die er gut würde verkaufen können. Eine Einladung ins Royal war genau das, was sie aufheitern und von ihrer Sorge um seinen Vater ablenken würde.
»Da bin ich wieder, Mama. Ich habe uns einen guten Wein zum Abendessen mitgebracht.« Er stellte die Flasche auf den Tisch.
Seine Mutter schaute hoch, sie lächelte, sie strahlte geradezu, und doch schien es ihm, als wäre eine Maske über ihr wahres Gesicht gefallen. »Wunderbar, mach du sie bitte auf. Ich bin da immer etwas ungeschickt.« Sie reichte ihm den Korkenzieher.
Während er ihn in den Korken schraubte, kam Jabisa in die Küche.
»Jabisa, meine Güte, heute ist ja doppelt so viel von dir da wie letztes Mal. Lass dich ansehen …« Er stellte die geöffnete Flasche hin und nahm die Zulu an der Hand und drehte sie um sich selbst, bis diese hilflos kichernd gegen den Tisch sank. »Welch eine stattliche Frau du bist. Ich wette, alle Männer sparen schon seit Jahren, um deinen Brautpreis bezahlen zu können, eh? Wie viele Rinder will dein Vater für dich haben?
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