Afrika Saga 02 - Feuerwind
Menge atmete erschrocken ein, das Zischen aus tausenden von Kehlen lief wie eine Welle durch das weite Rund.
Johann stand wie gelähmt, starrte durch die Lücke im Zaun auf diese Welt, die von seiner weiter entfernt war als der Mond von der Erde und doch so nah lag, dass er nur die Hand auszustrecken brauchte, um einen der gebeugten Rücken der Männer zu berühren.
Nun ging alles rasend schnell. Auf ein Zeichen stellten sich die Helfer des Sangomas, die Hyänenmänner des Königs, hinter den Verdammten, griffen mit beiden Händen zu und brachen ihm blitzschnell das Genick. Johann konnte das Knacken in der Stille deutlich hören und zuckte zusammen. Gallebittere Übelkeit stieg ihm in den Schlund. Gleich darauf hatten die anderen Sangomas einen weiteren Schuldigen erschnüffelt, und auf ein Wort des Königs wurde der Verurteilte auf den Hügel zum Hinrichtungsplatz gezerrt. Johann wagte sich nicht zu rühren. Er wusste, dass der arme Kerl dort gefoltert werden würde, ehe man ihm gestattete zu sterben. Die grausame Faszination des Schauspiels hielt ihn gefangen. Er konnte seine Augen nicht abwenden. Der Verurteilte hing schlaff wie eine ertrunkene Katze in den Pranken der Hyänenmänner, aber er lebte, das konnte er sehen. Er würde der Folter nicht entgehen.
Er geriet in heftigsten Widerstreit mit seinem Wissen, warum der König der Zulus sich so verhielt, und dieser ungezügelten, weiß glühenden Wut auf diese Grausamkeiten, diesen willkürlichen Wahnsinn. Der Impuls, auf den Paradeplatz zu stürmen und wild um sich zu schießen, war übermächtig. Bitter verhöhnte er sich selbst für seine Argumente anderen gegenüber, die sich über die blutrünstigen Riten der Zulus empört hatten, dass man nur an die Bauernkriege und die Hexenverbrennungen zu denken brauchte, um eine Verhältnismäßigkeit herzustellen.
Warum konnte er es sich nicht leicht machen wie so viele in der Kolonie? Die zuckten mit den Schultern, meinten, dass sind eben barbarische Wilde, was soll's? Es berührt uns nicht, wir sind weiß, wir sind zivilisiert. Dann brachten sie dem König Geschenke von billigen Glasperlen und Stoffbahnen, befriedigten sein Verlangen nach Kaffee, kristallisiertem Zucker und anderen Genussmitteln, verlangten dafür die Erlaubnis, seine Elefantenherden abzuschießen, um an das kostbare Elfenbein zu gelangen, diese verlogene Bande. Der Rest kümmerte sie nicht.
Mochte er sich auch noch so häufig König Cetshwayos ausgeprägtes Rechtsverständnis in Erinnerung rufen, seine oft so überraschend klugen Entscheidungen, sich vor Augen führen, dass der König nur das herrschende Gesetz seines Volks angewandt hatte, dass es in den Augen der Zulus Recht war, was da geschah, und sie das auch so anerkannten, so drehte sich ihm beim Anblick der blutrünstigen Szene der Magen um.
Der Schrei des Verurteilten holte ihn in die Wirklichkeit zurück.
Aller Augen waren auf das Schauspiel auf dem Hügel der Knochen gerichtet, und Johann beschloss, dass jetzt ein günstiger Moment gekommen sei, sich aus dem Staub zu machen. Es war nicht die passende Gelegenheit, König Cetshwayo davon zu unterrichten, dass er das Land verlassen wollte, das ihm Jahrzehnte Gastfreundschaft gewährt und ein wunderbares Leben erlaubt hatte. Das Gewehr schussbereit, glitt er lautlos von dem Baumstamm, knickte dabei um, eine glühend heiße Lanze schien ihm in die Lenden zu fahren, und er konnte einen Schmerzenslaut nicht unterdrücken, biss aber die Zähnen zusammen und rannte geduckt weiter den Hügel hinab, egal wie sehr der Schmerz wühlte.
Ein untersetzter, muskulöser Schwarzer, einer der Wachtposten des Königs, hörte den Laut, sah den Schatten des weißen Mannes, lief ihm ein paar Schritte nach und stieß dann einen kurzen, bellenden Ruf aus, den ein anderer aufnahm und weitergab.
Johann hörte nichts, sondern rannte, sein hämmerndes Herz ließ ihn in kurzen Stößen atmen, erinnerte ihn daran, dass das Alter begann, seinen Tribut zu fordern, aber er zwang sich, weiter zu laufen, bis er Umbani erreichte. Mit fliegenden Händen band er ihn los, schwang sich hinauf und trieb ihn mit leisem Schnalzen zur Eile an.
Erst als er einige Meilen zwischen sich und das grausige Schauspiel gelegt hatte, zügelte er den Hengst, beugte sich hinunter und zog die Brandyflasche aus seiner Satteltasche, die ihm Daun mitgegeben hatte. Den Zügel mit einer Hand haltend, trank er drei, vier tiefe Züge, um den Geschmack seiner eigenen Angst loszuwerden, wartete
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