Afrika Saga 02 - Feuerwind
übrigens sagen, ob Sie morgens lieber Tee oder Kaffee hätten.«
Leon wischte sich den Mund. Bratkartoffeln zum Frühstück war er nicht gewöhnt, und er hatte jetzt nach sechs Spiegeleiern mit Speck, einem Berg dieser fettigen Knollen, Fleischpastete, frischem Brot und leicht ranzig schmeckender Butter das Gefühl, er würde nie wieder etwas essen können. Tapfer schluckte er seinen Widerwillen herunter, aß, was man ihm vorsetzte, um die Mutter seiner Braut nicht von Anfang an gegen ihn aufzubringen. Sie machte auf ihn den Eindruck eines Menschen, der nicht viel Sinn für Mätzchen hatte. Bisher hatte er auch nicht gewagt zu erwähnen, dass er kein Fleisch aß. Die Fleischpastete konnte er nur herunterwürgen, da nicht mehr nachzuvollziehen war, welches Tier dafür sein Leben gelassen hatte und er somit kein genaues Bild vor Augen hatte. Außerdem hatte er in den vergangenen zwei Tagen Essensmengen zu sich genommen, die ihm in Deutschland mindestens eine Woche gereicht hätten. Er spürte flüchtiges Mitleid mit Gänsen, die genudelt wurden. Sie mussten sich ähnlich fühlen.
»Danke, gnädige Frau. Es geht nun nicht mehr. Ich werde bald zu fett sein, um mich zu bewegen.«
»O, das glaube ich nicht. Afrika zehrt und macht äußerst hungrig.«
Langsam begann Catherine dieser junge Mann zu gefallen, der auf diese eigenartige Weise ihr Schwiegersohn geworden war. Auch wenn sie ganz und gar nicht mit dieser überstürzten Heirat einverstanden war. Zumindest würde sie darauf bestehen, dass die beiden hier noch einmal in der Kirche heiraten würden.
»Erlauben Sie, dass ich mich meines Jacketts entledige?«, fragte Leon, dem der Schweiß aus den Haaren in den hohen Kragen seines karierten Sportanzugs lief.
»Natürlich«, sagte seine Gastgeberin und freute sich über die hervorragenden Manieren des jungen Mannes. Die meisten Männer, mit denen man in Afrika in Berührung kam, hatten mit der Zivilisation auch ihren Anstand in Europa gelassen.
Leon erkannte das und nutzte es sofort. »Darf ich Sie bitten, mich Leon zu nennen? Herr Mellinghoff ist mein Vater.«
Catherine sah ihn an. Eigentlich war das noch viel zu früh, denn nannte sie ihn beim Vornamen, bedeutete das eine gewisse Nähe, zu der sie sich im Grunde noch nicht bereit fühlte. Noch hatte sie ihm nicht vergeben, dass er ihr Maria genommen hatte.
»Mama«, sagte Maria und sah sie an. Ihr Herz lag offen in diesem Blick. »Er gehört zu mir.«
»Nun gut. Leon.« Sie bot ihm nicht an, sie mit Catherine anzusprechen.
»Danke.« Leon verbeugte sich leicht, zog dann seine Jacke aus und hängte sie über den Stuhl. Dabei verspürte er ein unangenehmes Jucken am Arm, sah verstohlen nach, was ihn so ärgerte, und entdeckte zu seinem Entsetzen das unverkennbare Muster von Flohbissen. Er hatte Flöhe! Er! Am liebsten wäre er vor Scham versunken.
»Was ist mit dir los? Du machst ein Gesicht, als hättest du ein Gespenst gesehen.« Maria, die zutiefst erleichtert merkte, dass ihre Mutter begann, weich zu werden, sah ihn fröhlich an, während sie eine Scheibe Fleischpastete zerteilte.
Er lief tiefrot an, stammelte, wusste nicht, was er sagen sollte, kratzte sich unwillkürlich. Maria bemerkte es und lachte mit vergnügter Schadenfreude. »Dich hat ein Floh gebissen, nicht wahr? Der stammt vermutlich von dem Pavian. Mach dir nichts draus, hier hat jeder Hund Flöhe und die meisten Menschen auch.« Sie kicherte.
Leon grinste gequält. »Was heißt Isicebi?«, fragte er, sprach das Zuluwort langsam aus.
»Reiche Person«, beschied ihm Maria. »Warum?«
Leon berichtete ihr von der Faszination, die die Uhr auf Tandani ausgeübt hatte, und seinem vergeblichen Versuch, ihr das Wort Zeit zu erklären.
»Es gibt keinen festen Begriff, der die Zeit bezeichnet«, erläuterte Maria. »Es gibt aber sehr viele Worte, die eine Zeitspanne beschreiben, und alle Tätigkeiten werden so berechnet. Etwas dauert so lange, wie es braucht, eine Kuh zu melken, zum Beispiel.«
»Ich habe keine Ahnung, wie lange das dauert!«
»Das kann ich dir schnell beibringen. Wir haben sicher eine Kuh in Reichweite.« Maria amüsierte sich königlich. »Sonst kannst du die Zeit ja in Herzschlägen messen.«
Leon kratzte diskret seinen Flohbiss. »Ich glaube, ich muss Zulu lernen«, bemerkte er. »Gibt es hier eine Schule?«
»O ja«, antwortete Catherine. »Das Leben da draußen, Leon, Sie müssen nur genau hinhören.«
Am nächsten Morgen war Leon schon aufgestanden, als Tandani mit dem
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