Afrika Saga 02 - Feuerwind
sie mit Blicken, wann immer er glaubte unbeobachtet zu sein.
Obwohl es ihr an Verehrern in Durban weiß Gott nie gemangelt hatte, schmeichelte ihr das durchaus. Er war ein gut aussehender Mann, ziemlich groß, mit dichten, dunkelblonden Haaren und unglaublich hellblauen Augen, die eigentlich sprichwörtlich für Seeleute waren. Aber er war ihr zu steif, zu sehr Hanseat, und Bartholomew stand unsichtbar noch immer zwischen ihnen. Noch konnte sie sich nicht vorstellen, je wieder einen Mann so lieben zu können, wie sie Bartholomew geliebt hatte. Aber immerhin bot Leons Gesellschaft eine angenehme Abwechslung zu den älteren Mellinghoffs. Besonders ihre Tante war ziemlich humorlos und steif und entsetzlich langweilig.
Nachdem sie nach ihrer Ankunft ihre Koffer ausgepackt und sich in ihrem Zimmer eingerichtet hatte, informierte Elise Mellinghoff sie über die Gepflogenheiten des Hauses.
»Frühstück um acht Uhr, Besuchszeit ab elf, Mittagessen um eins.
Nachmittagskaffee nehmen wir um vier Uhr je nach Wetter im Garten oder im Wintergarten ein, das Diner ist um acht Uhr im Esszimmer, Gesellschaftskleidung ist erwünscht. Ich nehme an, deine Garderobe ist vollständig?«
Maria hatte keine Vorstellung, was das bedeutete, also nickte sie vorsichtig.
»Sonntagmorgen besuchen wir den Gottesdienst, nachmittags, nach unserem gemeinsamen Spaziergang, meine Schwiegermutter.
Das Herrenzimmer darf nur mit Erlaubnis meines Mannes betreten werden. Freitags habe ich Damenkränzchen, aber dafür bist du ja wohl noch zu jung. Hast du noch Fragen?«
Maria fiel keine ein. Das Leben der Mellinghoffs, wie auch das ihrer Freunde, war in ein Korsett von Regeln und Gesetzen gepresst. Feste Zeiten für die Mahlzeiten, feste Regeln für Freizeitbeschäftigung, strikte Vorschriften für die Kleidung, was man tat und was nicht und welchen Umgang man pflegte.
Ganz besonders das, dachte Maria jetzt. An jenem Tag hatte sie sich zu einer amüsierten Bemerkung darüber hinreißen lassen und fand schnell heraus, dass das eine bitterernste Angelegenheit war, und Elise Mellinghoff überhaupt keinen Spaß in dieser Sache verstand. Ihr ganzes Trachten und Denken war darauf ausgerichtet, welches Bild sie abgab, und das Urteil derer, die sie zur Hamburger Gesellschaft zählte, entschied über ihr seelisches Wohlbefinden. Das Prädikat, eine Geborene zu sein, war die Eintrittskarte in diese Gesellschaft, die in Hamburg zumindest nicht mit Geld zu kaufen war.
Nichts Vernichtenderes konnte über eine Dame gesagt werden, als dass sie eine Gewisse war. Gleich am ersten Tag hatte Maria das gelernt.
Nachdem Elise Mellinghoff im abgedunkelten Zimmer ihre tägliche Mittagsruhe gehalten hatte und ihr Onkel aus dem Kontor gekommen war, hatte die Haushälterin um vier Uhr den Tisch für den Nachmittagskaffee im Schatten der alten Blutbuche gedeckt. Auf einem Silbertablett reichte sie der Hausherrin eine Visitenkarte.
»Visite, jetzt?« Elise Mellinghoff nahm sie mit spitzen Fingern. »Sie ist von den Leuten, die das Haus nebenan gekauft haben, eine gewisse … Langenfeld«, las sie ihrem Mann vor, dann legte sie die Karte zurück. »Kenne ich nicht. Richten Sie der Dame aus, wir empfangen heute nicht.«
»Aber bitte nicht meinetwegen«, fiel Maria ein.
»Natürlich nicht.« Frau Mellinghoff runzelte irritiert die Stirn.
»Unbekannter Name, unbekannte Familie. Die müssen wir nicht kennen.« Sie seufzte. »Es sollte ein Gesetz geben, das solchen Leuten verbietet, hier zu kaufen. Nun, Kinder, zeigt eurer Cousine den Garten«, scheuchte sie ihre Töchter hoch.
»Man muss schon eine Geborene sein, um in den Augen meiner Mutter Gnade zu finden«, raunte Leon Maria ins Ohr.
»Ich verstehe den Unterschied nicht.«
Leon lächelte mit feinem Spott. »Wäre deine Mutter nicht eine geborene le Roux, hätte dich meine Mutter wohl kaum eingeladen.«
Maria verstand immer noch kein Wort, wurde auch gleich von Luise abgelenkt, die sie aus dem Stuhl und in den Garten zog.
»Hast du unseren Pfau schon gesehen? Vielleicht schaffen wir es, ihm eine Schwanzfeder auszureißen, die kannst du dir dann an den Hut stecken.« Damit tanzte sie quer über den üppig sprießenden Rasen davon.
Leonore drängte sich in die in voller Blüte stehenden Jasminbüsche und begann einen Strauß zu pflücken. Maria aber betrat das Gras nicht, achtete auf jeden Schritt, den sie tat, machte, ohne darüber nachzudenken einen großen Bogen um die herunterhängenden Kronen der alten Bäume,
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